Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch
Tz. 147
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der Ansatz von Vermögenswerten (assets) und Schulden (liabilities) in der Bilanz erfordert die Auswahl eines Bewertungsmaßstabes. Der IASB sieht die Verwendung eines einzigen Bewertungsmaßstabes (single measurement approach) nicht als geeignet an, um in jedem Einzelfall die relevantesten Informationen bereitzustellen (CF.BC6.5–6.11). In den Einzelstandards finden somit unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe Anwendung. Während die Bewertungsmaßstäbe im bisherigen Conceptual Framework (2010) lediglich ohne Hierarchisierung und ohne eine wesentliche Konkretisierung aufgelistet wurden, unterscheidet der IASB im aktuellen Conceptual Framework (2018) zwischen zwei grundlegendenden Kategorien von Bewertungsmaßstäben (CF.6.4–6.21):
- historische Kosten (historical cost); und
- aktuelle Werte (current value).
Die aktuellen Werte umfassen drei Unterkategorien: den beizulegenden Zeitwert (fair value), den Nutzungswert für Vermögenswerte (value in use) bzw. den Erfüllungsbetrag für Schulden (fulfilment value) und die Wiederbeschaffungskosten (current cost). Die Bewertungsmaßstäbe deprival value (für Vermögenswerte) bzw. relief value (für Schulden) und cost of release werden nicht als eigenständige Unterkategorien identifiziert, da der IASB die praktische Bedeutung dieser Wertmaßstäbe als gering einschätzt. Ebenso bildet der net realisable value, der in IAS 2.28für die Folgebewertung von Vorräten herangezogen wird, keine eigenständige Unterkategorie mehr, da er aus anderen Bewertungsmaßstäben ableitbar ist (CF.BC6.29).
Tz. 148
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Das Conceptual Framework gibt ein breites Spektrum an möglichen Bewertungsmaßstäben vor ohne eine klare Präferenz für einen Bewertungsmaßstab zu äußern. Vielmehr stehen die Bewertungsmaßstäbe nach Auffassung des IASB gleichberechtigt nebeneinander. Die Anwendung ist abhängig vom jeweiligen Einzelfall (CF.BC6.1). Das früher im Schrifttum diskutierte full fair value accounting verwirft der IASB durch den im Conceptual Framework gewählten mixed measurement approach (vgl. Böcking/Dreisbach/Gros, DK 2008, S. 208; glA Erb/Pelger, IRZ 2018, S. 330).
Tz. 148a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Das Conceptual Framework liefert ausführliche Erläuterungen zu den Definitionen und Charakteristika der einzelnen Bewertungsmaßstäbe (CF.6.4–6.22) sowie bezüglich der durch die Bewertungsmaßstäbe bereitgestellten Informationen (CF.6.23–6.40). Zudem werden erstmals auch Faktoren erörtert, die bei der Auswahl eines Bewertungsmaßstabs zu berücksichtigen sind (CF.6.43–6.72). Auf eine unmittelbare Zuordnung von Bewertungsmaßstäben zu Vermögenswerten (assets) und Schulden (liabilities) wird verzichtet. Das Conceptual Framework weist somit nach wie vor kein geschlossenes Bewertungskonzept auf.
Tz. 149
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die Bewertungsvorschriften in den einzelnen IFRS konkretisieren die Anwendung der Bewertungsmaßstäbe für die einzelnen Bilanzposten, definieren die Wertmaßstäbe um oder führen neue Wertmaßstäbe ein. Die Wertmaßstäbe stehen dabei teilweise in einem komplementären Verhältnis (bei Bewertungswahlrechten) und teilweise in einem konkurrierenden Verhältnis (bei Vornahme eines Niederstwerttests) zueinander.