Dipl.-Kfm. Alexander Staß, Marcel Kottenstein
Tz. 33
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Nach IAS 20.12 sind finanzielle Zuwendungen der öffentlichen Hand planmäßig (on a systematic basis) als Ertrag zu erfassen, und zwar im Verlauf der Perioden, in denen das Unternehmen die entsprechenden Aufwendungen erfasst, die sie kompensieren sollen. In IAS 20.12 wird das matching principle in einer Umkehrung (vgl. Uhlig, 1989, S. 249) angewendet, weil nicht die Aufwendungen den Zuwendungserträgen zuzuordnen sind, sondern die Zuwendungserträge den Aufwendungen, für die sie einen (idR teilweisen) Ausgleich darstellen. In IAS 20.16 wird darauf hingewiesen, dass eine Erfassung von Zuwendungen als Ertrag auf der Grundlage ihres Zuflusses (receipt basis) nicht in Übereinstimmung mit der Grundvoraussetzung der Periodenabgrenzung (accrual accounting assumption) steht (IAS 1.27f. und F.1.17–19). Eine erfolgswirksame Erfassung bei Zufluss der Zuwendung ist danach nur zulässig, wenn für die Periodisierung der Zuwendung eine andere Grundlage als die des Zuflusszeitpunkts nicht verfügbar ist (hierzu vgl. Tz. 43ff.).
Tz. 34
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Im Einklang mit dem vorstehenden Periodisierungsgrundsatz hält das IDW (HFA 1/1984, WPg 1984, S. 613) auch in der Rechnungslegung nach HGB die sofortige vollständige Vereinnahmung nicht für sachgerecht. Allerdings verfährt die Praxis in Deutschland häufig anders (vgl. Küting, DStR 1996, S. 316). Die abweichende Behandlung von Investitionszuschüssen dürfte vor allem mit dem steuerrechtlichen Wahlrecht nach R 6.5 Abs. 2 EStR (sofortige Vereinnahmung als Ertrag oder Kürzung der Anschaffungs- und Herstellungskosten) zusammenhängen. Das Wahlrecht wurde vom BFH (v. 22.01.1992, DB 1992, S. 1066) bestätigt (kritisch hierzu Groh, StuW 1994, S. 92). Für ein auch handelsrechtliches Wahlrecht vgl. OLG Saarbrücken (v. 21.09.1988, DB 1988, S. 2398). Nach ADS (6. Aufl., § 255 HGB, Tz. 58) erscheint eine sofortige Vereinnahmung handelsrechtlich dagegen "nur dort vertretbar, wo Zuschüsse als Anreiz zu Investitionen gedacht sind und Prämiencharakter tragen." Ob dadurch ein brauchbares handelsrechtliches Abgrenzungskriterium geliefert wird, dürfte fraglich sein. Für steuerfreie Investitionszulagen wird die sofortige Vereinnahmung (entgegen IDW HFA 1/1984, WPg 1984, S. 613) von der Praxis noch stärker präferiert (vgl. Knop/Küting/Knop, in: HdR, 5. Aufl., § 255 HGB, Tz. 69) und teilweise auch in der handelsrechtlichen Kommentarliteratur gefordert (vgl. Leinen et al., in: Haufe HGB Bilanz Kommentar, § 255 HGB, Tz. 76).
Die vorstehenden Ausführungen sollen lediglich aufzeigen, dass in der Rechnungslegungspraxis nach HGB sowohl Behandlungen vorkommen, die mit dem Grundsatz der Periodenabgrenzung nach IAS 20 in Einklang stehen, als auch solche, die vom Standard abweichen. Von einer eingehenderen Darstellung des Meinungsspektrums zu Fragen der handelsrechtlichen Rechnungslegung bzgl. der Vereinnahmung öffentlicher Zuwendungen an dieser Stelle wird im Hinblick auf das Ziel der Kommentierung Abstand genommen.
a. Periodisierung der Zuwendungen nach den anfallenden laufenden Aufwendungen
Tz. 35
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Nach IAS 20.12 geht es um die erfolgswirksame Zuordnung von Zuwendungen zu denjenigen Aufwendungen, die durch die Zuwendungen kompensiert werden sollen ("the grants are intended to compensate"). Maßgebend für eine periodengerechte Zuordnung ist in erster Linie die Absicht, die der Zuwendungsgeber mit der Zuwendung bezüglich der zu deckenden Aufwendungen verfolgt. Dieser Zusammenhang ergibt sich regelmäßig aus den Zuwendungsbestimmungen (teilweise aA Tjaden, WPg 1985, S. 36). Die in IAS 20.17 vertretene Auffassung, dass die Perioden, über welche die im Zusammenhang mit einer Zuwendung anfallenden Aufwendungen erfasst werden, in den meisten Fällen leicht feststellbar (readily ascertainable) sind, dürfte im Allgemeinen zutreffen. Die Kompensationsbeziehung kann unterschiedlich gestaltet sein. So können zB bestimmte Aufwendungen während eines festgelegten Förderzeitraums mit einem bestimmten Prozentsatz begünstigt sein. An Stelle einer Begrenzung des Förderzeitraums (oder zusätzlich) kann auch eine Limitierung der begünstigten Aufwendungen vorgesehen sein. Die Zuwendungsbedingungen können aber auch (ohne Bezug zur Höhe der begünstigten Aufwendungen) die Verteilung der Zuwendungsbeträge auf die einzelnen Perioden selbst festlegen. Eine sachgerechte Periodisierung setzt daher eine Analyse der Zuwendungsbestimmungen voraus (ggf. unter Heranziehung des Zuwendungsbescheids).
Tz. 36
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Von Zuschüssen zum Ausgleich von Aufwendungen sind Ertragszuschüsse der öffentlichen Hand zu unterscheiden, die zum Ausgleich fehlender oder zu niedriger Erträge gewährt werden (zB Erstattung von Fahrgeldausfällen nach SGB IX (Neuntes Buch Sozialgesetzbuch) für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen, Abwrackprämien, Stilllegungsprämien).
Nach seinem Wortlaut befasst sich der Standard (IAS 20.12 u. 20.17) mit Zuwendungen zum Ausgleich von Kosten oder Aufwendungen (costs or expenses). Zuwendungen zum Ausgleich von Ertragsausfäll...