Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 209
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Die Bilanzierung von Kundenoptionen, die es dem Kunden ermöglichen, zusätzliche Güter oder Dienstleistungen kostenlos oder vergünstigt zu erhalten ("customer options for additional goods or services"), richtet sich nach der Abgrenzbarkeit der Option als eigenständige Leistungsverpflichtung (IFRS 15.B39 f.). Hierunter sind neben Kundenbindungsprogrammen und Prämiengutschriften (vgl. Tz. 215 f.) auch Rabattgutscheine für künftige Einkäufe sowie Verlängerungsoptionen zu subsumieren (IFRS 15.B39). Kundenoptionen sind als eigenständige Leistungsverpflichtungen zu bilanzieren, wenn sie dem Kunden ein materielles Recht ("material right") einräumen, das ihm ohne den Vertragsabschluss nicht zustehen würde (IFRS 15.B40; IFRS 15.26(j)). Bei Vorliegen eines materiellen Rechts zahlt der Kunde effektiv im Voraus für die künftig zu erhaltenden Güter oder Dienstleistungen, weshalb erst bei Übergabe der künftigen Güter bzw. bei Erbringung der künftigen Dienstleistung oder bei Ablauf der Option Umsatzerlöse zu erfassen sind (IFRS 15.B40). Die Ausübung der Option ist dabei entweder durch Anpassung des Transaktionspreises – durch Aufteilung des zusätzlichen Entgelts auf die der Option zugrunde liegenden Leistungsverpflichtung – oder als Vertragsmodifikation – durch eine kumulative Anpassung des Leistungsfortschritts sowie der bisher erfassten Umsatzerlöse bzw. als separater Vertrag (vgl. Tz. 42 f.) – zu bilanzieren (vgl. TRG, Agenda Paper No. 32, 2015, Tz. 9, 22; zur Zustimmung TRG, Agenda Paper No. 34, 2015, Tz. 11 f.). Beide Alternativen führen nur dann zum gleichen Bilanzierungsergebnis, wenn die zusätzlichen Güter oder Dienstleistungen als eigenständige Leistungsverpflichtungen eingestuft werden; folglich können sich hierbei Unterschiede in der Bilanzierungspraxis ergeben (vgl. TRG, Agenda Paper No. 34, 2015, Tz. 12; TRG, Agenda Paper No. 32, 2015, Tz. 17). Da die Optionsausübung zusätzliche durchsetzbare Rechte und Pflichten begründet, die zwar im ursprünglichen Vertrag verankert, jedoch noch nicht durchsetzbar waren, scheint indes eine Bilanzierung als Vertragsmodifikation sachgerecht (vgl. Heintges et al., BB 2016, S. 621).
Tz. 210
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Das Erfordernis eines materiellen Rechts dient der Abgrenzung von Kundenoptionen zu Marketing- oder Sonderangeboten und verlangt, die Wesentlichkeit der gewährten Option im Verhältnis zu anderen Optionen zu beurteilen, die in vergleichbaren Transkationen gewährt werden (IFRS 15.BC387). Bei der Wesentlichkeitsbeurteilung sind sowohl alle aktuellen sowie vergangenen und künftigen Transaktionen als auch quantitative und qualitative Faktoren einzubeziehen (vgl. TRG, Agenda Paper No. 6, 2014, Tz. 16, 29; zur Zustimmung TRG, Agenda Paper No. 34, 2015, Tz. 9). So ist bspw. bei einem nicht rückerstattungsfähigen Entgelt (vgl. Tz. 219 f.), das bei einer Vertragsverlängerungsoption nicht erneut gezahlt werden müsste, der zu zahlende Preis im Fall der Vertragsverlängerung mit dem Neukundenpreis zu vergleichen (vgl. TRG, Agenda Paper No. 6, 2014, Tz. 38). Auch die Verfügbarkeit und Preise alternativer Anbieter, bspw. ob diese die gleiche Leistung auch ohne ein etwaiges Vorabentgelt anbieten, sowie Erfahrungswerte über die durchschnittliche Verlängerungsquote sind im Rahmen der Wesentlichkeitsbeurteilung als Indikatoren zu berücksichtigen (vgl. TRG, Agenda Paper No. 6, 2014, Tz. 39; TRG, Agenda Paper No. 32, 2015, Tz. 28; zur Zustimmung TRG, Agenda Paper No. 34, 2015, Tz. 14 f.). Sofern der Kunde aufgrund der gewährten Option zusätzliche Güter oder Dienstleitungen zu einem Preis erwerben kann, der dem Einzelveräußerungspreis dieser Güter oder Dienstleistungen entspricht, begründet die Kundenoption hingegen kein materielles Recht, sondern stellt lediglich ein Marketingangebot dar, das nur bei Ausübung der Option zu bilanzieren ist (IFRS 15.B41; IFRS 15.IE254–256).
Tz. 211
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Verträge, die eine Kundenoption auf zusätzliche Güter beinhalten, sind von Verträgen mit variablen Gegenleistungen, die auf variablen Mengenvereinbarungen beruhen, zu unterscheiden (vgl. TRG, Agenda Paper No. 48, 2015, Tz. 19). Bei einer Option hat der Kunde ein gegenwärtiges Recht, die Menge an zusätzlichen (eigenständigen) Gütern zu bestimmen, wobei für das Unternehmen vor der Ausübung dieses Rechts keine Verpflichtung zur Auslieferung der zusätzlichen Waren besteht (vgl. TRG, Agenda Paper No. 48, 2015, Tz. 19). Da der Transaktionspreis, im Rahmen dessen eine variable Gegenleistung zu bestimmen ist, nur diejenigen Beträge umfasst, für die ein Gegenleistungsanspruch auf Grundlage des vorliegenden Vertrags (rechtlich) besteht, stellt eine Erhöhung des Transaktionspreises aufgrund einer Erhöhung der Liefermenge keine variable Gegenleistung dar (vgl. TRG, Agenda Paper No. 48, 2015, Tz. 19; Heintges et al., BB 2016, S. 620 f.). Besteht hingegen die Möglichkeit, die Liefermenge nach dem Übergang der Kontrolle zu verringern, bspw. aufgrund eines Rückgaberechts, lie...