Tz. 25

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Der Begriff "rechnungslegungsbezogene Schätzungen" wird in IAS 8.5 definiert als in Abschlüssen angegebene Geldbeträge, die mit Bewertungsunsicherheiten behaftet sind.

Aus dieser Definition werden folgende, einer rechnungslegungsbezogenen Schätzung innewohnende Charakteristika ersichtlich (vgl. auch IAS 8.32):

(1) Rechnungslegungsbezogenen Schätzungen iSv. IAS 8 können nur im Bereich der Bewertung bzw. Bewertungsunsicherheiten auftreten. Dies wird auch durch die Ausführungen in IAS 8.32 gestützt, wonach eine Rechnungslegungsmethode vorschreiben kann, dass Posten in Abschlüssen unter Berücksichtigung von Bewertungsunsicherheiten bewertet werden. D.h., die Geldbeträge, die dem Posten zugeordnet werden, sind nicht direkt feststellbar und müssen demzufolge geschätzt werden.
(2) Zur Schätzung entwickelt ein Unternehmen "rechnungslegungsbezogene Schätzungen", um das in der Rechnungslegungsmethode festgelegte Ziel zu erreichen (vgl. dazu auch Heuser/Theile, 6. Aufl., Tz. 12.25; Beck IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 45, Tz. 13, mwN; ähnlich IAS 16.BC33 in Bezug auf Abschreibungsmethoden).
(3) Die Entwicklung von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen erfolgt auf der Grundlage von Ermessensentscheidungen oder Annahmen, die auf den zuletzt verfügbaren verlässlichen Informationen beruhen. Dazu gehören nach IAS 8.32A neben Inputfaktoren auch Bemessungsverfahren (Schätz- und Bewertungsverfahren) (vgl. Tz. 10a).
(4) Unsicherheiten in Bezug auf die Sachverhaltsanalyse oder den (erstmaligen) Ansatz von Vermögenswerten, Schulden, Aufwendungen und Erträgen wird insofern nicht von der Definition für Schätzungen erfasst. Diese stellen Ermessensentscheidungen des Managements iSv. IAS 1.122 dar, die nach dem Wortlaut des IAS 1.122 separat von Schätzungsunsicherheiten darzustellen sind.
(5) Die inhärente Unsicherheit bei Bewertungen macht es erforderlich, Anpassungen aufgrund von neuen Erkenntnissen oder Entwicklungen vorzunehmen (Änderung rechnungslegungsbezogener Schätzungen). Eine Schätzung muss also überarbeitet werden, wenn sich die Umstände ändern, auf deren Grundlage die Schätzung erfolgt ist, oder als Ergebnis von neuen Informationen oder zunehmender Erfahrung. Im Einzelnen hierzu vgl. Tz. 119.
(6) Änderungen rechnungslegungsbezogener Schätzungen basieren auf zuletzt verfügbaren, verlässlichen Daten, Informationen und Entwicklungen, die zeitlich erst nach Ende des Wertaufhellungszeitraums der vorangegangenen Berichtsperiode anfallen. Insofern unterscheiden sie sich von Fehlerkorrekturen (vgl. Tz. 32).

Festzuhalten ist im Ergebnis, dass durch die Änderungen an IAS 8 bezüglich des Begriffs der rechnungslegungsbezogenen Schätzung mehr Sachverhalte hierunter eindeutig zugeordnet werden können, wenngleich in der Praxis und unter Anwendung von IAS 8.35 sowieso schon versucht wurde im Zweifelsfall eher zu einer "Schätzungsänderung" zu tendieren (sa. Ernst & Young, International GAAP, Ch. 3.4.2.2). Als Beispiele lassen sich hier die Leistungen an Arbeitnehmer nach IAS 19 (Bilanzierung von Pensionsverpflichtungen) nennen, bei denen schon bisher Änderungen von Eingangsparametern wie aktualisierte Sterbetafeln, aber auch Veränderungen bei der Ermittlung des Diskontierungszinssatzes als Änderung von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen bilanziert wurden (glA Schreiber, WPg 2021, S. 891f).

 

Tz. 26

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Die in IAS 8.32 aufgezählten Beispiele für Änderungen von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen erfüllen die oben aufgeführten Charakteristika:

(1) Wertberichtigung für erwartete Kreditverluste unter Anwendung von IFRS 9 Finanzinstrumente;
(2) Nettoveräußerungswert von Vorräten unter Anwendung von IAS 2 Vorräte;
(3) beizulegende Zeitwert eines Vermögenswerts oder einer Schuld unter Anwendung von IFRS 13 Bemessung des beizulegenden Zeitwerts;
(4) Abschreibungsaufwand bei einer Sachanlage unter Anwendung von IAS 16
(5) Gewährleistungsrückstellungen unter Anwendung von IAS 37.

Weitere typische Beispiele für vorzunehmende rechnungslegungsbezogene Schätzungen ist die Bewertung von Rückstellungen, die Bemessung von Zeitwerten von nicht börsennotierten Finanzinstrumenten und die Bewertung von als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien zum beizulegenden Zeitwert.

 

Tz. 26a

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Mit ED/2017/5 sollte klargestellt werden, ob es sich bei den in IAS 2.25–27 aufgeführten Verbrauchsfolgeverfahren um Rechnungslegungsmethoden oder Schätzungsverfahren handelt (vgl. ED IAS 8.32B). Der Standardsetter hat dies in der finalen Fassung unterlassen, u. a. mit dem Hinweis, dass IAS 2 klar sagt, dass es sich um Rechnungslegungsmethoden handele; außerdem mangele es an Ermessenentscheidungen und Annahmen. Es handelt sich vielmehr in der Betrachtungsweise des Standardsetters um eine Festlegung einer Methode zur Zuordnung von Kosten (FIFO oder Durchschnittsverfahren) (glA, Schreiber, WPg 2021, S. 892).

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