Dr. Lothar Rieth, Dr. Matthias Schmidt
Tz. 118
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Der SASB (eine US-Organisation) wurde im Jahr 2011 gegründet und seine ursprüngliche Zielsetzung war, dass US-börsennotierte Unternehmen zu einer integrierten Nachhaltigkeitsberichterstattung nach SASB-Standards verpflichtet werden sollen. Seine Ausrichtung war also vor allem auf den US-Kapitalmarkt fokussiert, eine globale Ausrichtung – wie bei IASB, IIRC, TCFD oder GRI – wurde grundsätzlich nicht verfolgt. Dennoch war die Arbeit des SASB von Beginn an auch für deutsche Unternehmen relevant, sei es wegen der Vergleichbarkeit ihrer integrierten Nachhaltigkeitsberichterstattung mit der von US-Wettbewerbern, wegen entsprechender Erwartungen einflussreicher US-Investoren (die ihren Niederschlag in den Erhebungen US-basierter Datenbanken für Unternehmensinformationen finden) oder aufgrund eigener Börsennotierung in USA.
Tz. 119
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Mittlerweile liegen SASB-Standards für 77 Branchen aus elf übergeordneten Sektoren vor, die in einem robusten Due Process entwickelt wurden. Sie decken je nach Branchenrelevanz grundsätzlich die Themen Umwelt, Governance, Geschäftsmodell und Innovation sowie Humankapital ab, die wiederum in weitere Aspekte gegliedert werden. Der Standard für die Chemiebranche umfasst beispielsweise die folgenden Aspekte, zu denen konkrete Berichtsvorgaben genannt werden: Treibhausgasemissionen, Luftqualität, Energie, Wasser und Abwasser, Abfall, Produktlebenszyklus, Arbeitnehmersicherheit, Menschenrechte, Compliance und Risikomanagement. Die jeweiligen Standards umfassen durchschnittlich Anforderungen zu 13 (ganz überwiegend quantitativen: rund 75 % der Berichtsanforderungen betreffen quantitative Angaben) Berichtselementen aus sechs Aspekten. Die sich daraus ergebende Berichterstattung soll den von Investoren gewünschten Branchenvergleich ermöglichen.
Tz. 120
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die aus der Branchenfokussierung resultierende vergleichsweise einfache Umsetzbarkeit der SASB-Standards ist grundsätzlich ein Vorteil gegenüber branchenunabhängigen Standards, etwa denen der GRI: Während die SASB-Vorgaben pro Branche zunächst auf ein bis zwei Seiten tabellarisch zusammengefasst und mit rund 40 Seiten Hintergrundinformationen aufbereitet werden, müssen bei den GRI-Standards mehrere hundert Seiten von Vorgaben durchgearbeitet werden, um im Rahmen einer Wesentlichkeitsanalyse die relevanten Themen und Einzelstandards zu identifizieren.
Tz. 121
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Demgegenüber können branchenspezifische Standards dazu verleiten, wie eine Checkliste durchgearbeitet zu werden. Vollständigkeit und Wesentlichkeit der Berichterstattung wären dann gefährdet. Ferner sind Unternehmen häufig in mehreren Branchen tätig, sodass segmentspezifisch unterschiedliche SASB-Standards einschlägig sind: Probleme ergeben sich dann, wenn die aggregierte Konzernsicht vermittelt werden soll. Hier liegt möglicherweise ein Vorteil branchenunabhängiger Vorgaben, etwa der GRI-Standards.
Tz. 122
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Zur ursprünglich beabsichtigen Berichtspflicht für US-börsennotierte Unternehmen nach den SASB-Standards ist es (bislang) nicht gekommen. Laut SASB-Website wenden weltweit derzeit 175 Unternehmen die Standards freiwillig in ihrer Berichterstattung an.
Tz. 123
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Dies bedeutet jedoch nicht, dass die SASB-Standards für deutsche Unternehmen irrelevant sind. Die Standards geben einen guten Überblick, welche Belange für ein Unternehmen relevant sein können: Vorstände, Aufsichtsräte und Vertreter von Finance-Abteilungen können regelmäßig mit dem generischen Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit (Ökologie, Soziales, Ökonomie) wenig anfangen, die branchenbezogene SASB-Perspektive erscheint ihnen nachvollziehbarer. Deutsche Unternehmen werden sich vor allem vor dem Hintergrund der nichtfinanziellen Berichterstattung nach §§ 289bff. und §§ 315bf. HGB mit verschiedenen Rahmenkonzepten für die nichtfinanzielle Berichterstattung auseinandersetzen. Hierbei spielen die SASB-Standards mittlerweile durch entsprechende Investoren-Erwartungen eine größere Rolle als dies bei der Erstanwendung der handelsrechtlichen nichtfinanziellen Berichtspflichten der Fall war. Es kann davon ausgegangen werden, dass die SASB-Standards angemessene Kriterien für die Aufstellung und Prüfung von nichtfinanziellen Berichten enthalten und insofern als Rahmenwerk iSv. § 289d Abs. 1 Satz 1 HGB verwendet werden können. Es wäre nicht zwingend, einen SASB-Standard vollumfänglich anzuwenden, sondern nur soweit dies aufgrund der handelsrechtlichen Vorgaben erforderlich ist (DRS 20.296 und .B92). Allerdings wäre dann anzugeben, wieweit den SASB-Vorgaben gefolgt wurde (DRS 20.298). Zu beachten ist auch, dass die SASB-Standards ganz überwiegend auf wirtschaftlich ("financial") relevante nachhaltigkeitsbezogene Sachverhalte zur Berichterstattung an Investoren abstellen, während in der nichtfinanziellen Erklärung auch die Wesentlichkeit der Auswirkungen zu beachten ist und von einem weiter g...