Tz. 20

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Zu beachten ist, dass nicht jeder spezifizierte Vermögenswert uno actu als identifiziert gilt. So ist das Kriterium der Identifizierbarkeit nicht erfüllt, wenn der Vermögenswert zwar spezifizierbar ist, der potenzielle Leasinggeber jedoch – ausnahmsweise (IFRS 16.BC114) – ein substanzielles Austauschrecht (substantive substitution right) während des gesamten Verwendungszeitraums in Bezug auf diesen Vermögenswert innehat (IFRS 16.B14). Diese Vorgabe ist Ausfluss des in IFRS 16 verankerten Kontrollkonzepts. Liegt ein substanzielles Austauschrecht vor, so hat der Lieferant weiterhin die Kontrolle (IFRS 16.BC112), welchen konkreten Vermögenswert er dem Kunden zu welchem Zeitpunkt zur Nutzung bereitstellt. Folglich fällt die Nutzenziehung aus der Nutzung des Vermögenswertes nicht uneingeschränkt und bedingungslos dem Kunden zu (vgl. Hommel/Dehmel/Zeitler, BB 2016, S. 1771). Nach IFRS 16.B14 ist die Substanz eines Austauschrechts anhand der nachfolgenden zwei Kriterien kumulativ zu prüfen:

  • Der potenzielle Leasinggeber muss praktisch dazu in der Lage sein, den Vermögenswert während des gesamten Verwendungszeitraums durch einen alternativen Vermögenswert auszutauschen (practical ability to substitute the asset; IFRS 16.B14 (a); vgl. Tz. 21); und
  • der potenzielle Leasinggeber muss wirtschaftlich von der Ausübung des Austauschrechts profitieren (benefit economically; IFRS 16.B14 (b); vgl. Tz. 22).

Sind diese beiden Kriterien kumulativ erfüllt, liegt kein identifizierter Leasinggegenstand und damit auch kein Leasingverhältnis iSd. IFRS 16.9 vor (IFRS 16.B14 iVm. IFRS 16.BC112). Für die Beurteilung dieser beiden Kriterien sind die Gegebenheiten eines jeden Einzelfalls zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns (at inception) maßgeblich (IFRS 16.B16; vgl. auch Eckl et al., DB 2016, S. 669). Künftige Ereignisse oder Entwicklungen, deren Eintritt unwahrscheinlich ist (not considered likely to occur), bleiben bei der Beurteilung unberücksichtigt, können also nicht zu einem substanziellen Austauschrecht führen (IFRS 16.B16). Hierunter ist bspw. auch die künftige Einführung neuer Technologien im Rahmen des technologischen Fortschritts zu fassen, die zum Zeitpunkt des Vertragsbeginns noch unzureichend entwickelt sind (IFRS 16.B16 (b); zu weiteren Beispielen siehe IFRS 16.B16 (a), (c) und (d)). Zu beachten ist ferner, dass nur jene Austauschrechte substanziell sein können, die tatsächlich Einfluss auf das Recht zur Nutzung eines Vermögenswertes durch den potenziellen Leasingnehmer haben (IFRS 16.B18). Austauschrechte, die bspw. darauf abzielen, den (Nutz-)Wert oder die Funktionsfähigkeit des Vermögenswertes zu erhalten, gelten folglich nicht als substanziell (IFRS 16.B18; vgl. auch Hommel/Dehmel/Zeitler, BB 2016, S. 1771). Entsprechend begründen Austauschrechte, die aufleben, wenn der Vermögenswert nicht einwandfrei funktioniert oder ein technisches Upgrade durchgeführt werden muss, kein substanzielles Recht auf Austausch (IFRS 16.B18). Generell gelten diejenigen Austauschrechte nicht als substanziell, die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt oder aber lediglich in Abhängigkeit eines bestimmten Ereignisses ausgeübt werden können, da sich ein solches Austauschrecht dann nicht auf "den gesamten Verwendungszeitraum" (throughout the period of use) bezieht (IFRS 16.B15 iVm. IFRS 16.BC114; vgl. auch Henneberger/Mertes/Flick, in: HdJ, 73. Erg.-Lfg. September 2019, Abt. X/5, Tz. 40). Damit dürften für die Praxis explizit keine außerbilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sein, indem formal situative Austauschrechte bspw. bei Defekten des Vermögenswertes im Vertragswerk verankert werden.

 

Tz. 21

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Das erste Kriterium für das Vorliegen eines substanziellen Austauschrechts, nach dem der potenzielle Leasinggeber die praktische Fähigkeit (practical ability) haben muss, den betreffenden Vermögenswert durch einen alternativen Vermögenswert (alternative asset) auszutauschen (IFRS 16.B14 (a)), zielt insbesondere darauf ab, dass keine (vertraglichen) Restriktionen oder sonstigen Hindernisse bestehen, die einen Austausch des Vermögenswertes durch den potenziellen Leasinggeber – trotz eines vorhandenen Austauschrechts – de facto unmöglich machen. Die "praktische Fähigkeit zur Austauschbarkeit" dürfte in erster Linie durch das Wesen des dem Vertrag zugrunde liegenden Vermögenswertes bestimmt werden (vgl. Dollereder, 2018, S. 67f.; Ganssauge/Klockmann/Alymov, WPg 2016, S. 737). So kann die praktische Fähigkeit zur Austauschbarkeit seitens des potenziellen Leasinggebers bei "Massenleasingobjekten", die er selber in hoher Stückzahl zur Verfügung hat, wie es bspw. bei PKWs oder Druckern der Fall sein kann, durchaus gegeben sein (vgl. für ein Beispiel in Bezug auf PKW Gebhardt, in: Thiele/von Keitz/Brücks, 41. Erg.-Lfg. April 2019, IFRS 16, Tz. 146; siehe auch IFRS 16.IE2 Example 1B). Demgegenüber wird bei Vermögenswerten, deren Auf- und Abbau und/oder Inbetriebnahme mit erheblichem Aufwand verbunden ist (zB ...

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