Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 51
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Leistungsverpflichtungen beruhen üblicherweise auf vertraglich vereinbarten Leistungen (IFRS 15.24), die soweit schriftlich fixiert Rechtssicherheit schaffen (vgl. Heintges et al., Erfahrungen aus der Anwendung, WPg 2015, S. 575). Neben diesen expliziten Leistungszusagen sind jedoch auch faktische Leistungsverpflichtungen zu berücksichtigen. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise und in Anlehnung an IAS 37 (vgl. Wüstemann/Wüstemann, WPg 2014, S. 932) sind Verpflichtungen im Rahmen eines Kundenvertrags, die durch die gewöhnliche Geschäftspraxis, aufgrund öffentlicher Unternehmenspolitik oder anderer spezifischer Ankündigen bestehen, als Leistungsverpflichtung zu bilanzieren, sofern sie bei den Kunden eine gerechtfertigte Erwartung der Leistungserbringung begründen (IFRS 15.24; IFRS 15.BC87). Diese impliziten Leistungszusagen sind zwar rechtlich nicht durchsetzbar, entfalten jedoch einen wirtschaftlichen Leistungszwang, dem sich das Unternehmen faktisch nicht mehr entziehen kann, zB kostenlose Software-Updates und Upgrades, die vertraglich nicht vereinbart sind, den Kunden jedoch erfahrungsgemäß während des Lizenzvertrags angeboten werden (IFRS 15.BC87).
Tz. 52
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Zur Veranschaulichung möglicher Leistungsverpflichtungen stellt IFRS 15.26 eine Liste mit zahlreichen Beispielen bereit, die neben klassischen Verkaufs-, Dienstleistungs- und Werklieferungsgeschäften auch die Gewährung von Lizenzen beinhaltet. Darüber hinaus sind auch sog. Bereithaltungsverpflichtungen ("standing-ready obligations"), jederzeit bzw. auf Verlangen des Kunden eine Lieferung oder Leistung zu erbringen, sowie gewährte Optionen zur künftigen Erbringung von Lieferungen oder Leistungen als Leistungsverpflichtungen aufgeführt (IFRS 15.26(e) und (g); IFRS 15.BC91). Eine dauerhafte Leistungsbereitschaft stellt bspw. die Verpflichtung eines Fitnessstudios dar, den Mitgliedern die Räumlichkeiten jederzeit zur Nutzung zur Verfügung zu stellen (IFRS 15.BC160). Verpflichtungen für künftige Leistungen bestehen hingegen häufig bei Automobilherstellern, die ihre Fahrzeuge zum Weiterverkauf an Händler übergeben, jedoch notwendige Wartungsleistungen gegenüber dem Endkunden selbst übernehmen (IFRS 15.BC92; IFRS 15.IE59–63). Derartige Verpflichtungen begründen jedoch nur dann eine Leistungsverpflichtung im Sinne von IFRS 15, wenn sie vertraglich vereinbart wurden, für sie mithin bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein rechtlicher oder faktischer Anspruch besteht (IFRS 15.BC92).
Tz. 53
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Auch Nebenleistungen oder Marketingaktionen, wie bspw. die vergünstigte Bereitstellung von Mobilfunktelefonen durch Telekommunikationsunternehmen bei Abschluss eines Mobilfunkvertrags oder die Gewährung von Bonuspunkten zur späteren Einlösung gegen Prämien, stellen Leistungsverpflichtungen dar, da der Kunde für sie als Vertragsbestandteil (indirekt) gezahlt hat (IFRS 15.BC88 f.). Die dabei gewährte Kundenoption, zusätzliche Güter oder Dienstleistungen kostenlos oder vergünstigt zu erhalten, ist jedoch nur dann als Leistungsverpflichtung zu bilanzieren, wenn sie dem Kunden ein materielles Recht einräumt, das ihm ohne den Vertragsabschluss nicht zustehen würde (IFRS 15.26(j); IFRS 15.40; vgl. Tz. 209–214). Während diese – für den Kunden nur mittelbar kostenlose – Vertriebsanreize im Rahmen eines Mehrkomponentengeschäfts bisher häufig als Vertriebsaufwand bilanziert wurden (vgl. Grote et al., Die neuen Vorschriften zur Umsatz- und Gewinnrealisierung (Teil 1), KoR 2014, S. 409) oder im Fall von Prämiengutschriften (vgl. Tz. 215–217) nach den Regelungen des IFRIC 13 bei Eingang der Kaufpreiszahlung passiviert und ertragswirksam bei Einlösung der Gutschrift aufgelöst wurden (IFRIC 13.7), ist nach IFRS 15 für Zwecke der Umsatzerfassung das erhaltene Entgelt anteilig auch auf diese Leistungsverpflichtungen zu verteilen (IFRS 15.BC89). Im Fall des Mobilfunkunternehmens ist folglich bereits bei Übergabe des Mobilfunktelefons ein entsprechender Umsatz zu erfassen, der bislang in der Bilanzierungspraxis unter Berufung auf die einschlägigen US-GAAP-Vorschriften auf die Laufzeit des Dienstleistungsvertrags verteilt wurde (IFRS 15.BC289; vgl. Pellens, WPg 2014, S. I; Ciesielski/Weirich, Management Accounting Quarterly 2011, S. 22; EFRAG, European Field-Test 2011, Telecommunication Companies, S. 12; zur Aufteilung des Einzelveräußerungspreises vgl. Tz. 127 ff.). Auch die von Automobilherstellern gewährten kostenlosen Wartungsleistungen können künftig nicht mehr als Aufwand im Zeitpunkt des Autoverkaufs erfasst werden, sondern sind als Leistungsverpflichtung zu bilanzieren (IFRS 15.BC472; IFRS 15.IE60–61A).
Tz. 54
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Vorvertragliche Leistungen und Tätigkeiten, die im Rahmen der Vertragserfüllung anfallen, gelten nur dann als Leistungsverpflichtungen, wenn sie eine Lieferung oder Leistung für den Kunden darstellen, der Kunde mithin Kontrolle über diese erlangt (IFRS 15.25; vgl. TRG, Agenda P...