Prof. Dr. Jens Wüstemann, Dr. Sonja Wüstemann
Tz. 201
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Während die Bilanzierung von Verträgen über die Errichtung von Immobilien aufgrund nicht eindeutiger Regelungen in IAS 11 und IAS 18 bislang durch die Kriterien des IFRIC 15 konkretisiert wurde, erfolgt die Umsatzerfassung gemäß IFRS 15 einheitlich nach dem übergeordneten Kontroll-Kriterium. Auch bei Immobilienbauverträgen sind zunächst etwaige eigenständige Leistungsverpflichtungen zu identifizieren (vgl. Tz. 55–63; zur Diskussion der Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum Schoo, 2013, S. 73–75).
Tz. 202
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Sofern die Immobilie auf dem Grund und Boden des Kunden errichtet wird und dieser während der Leistungserbringung kontinuierlich Kontrolle über das Gebäude erlangt, verlangt IFRS 15.35(b) eine zeitraumbezogene Umsatzerfassung (vgl. Tz. 71). Verträge über die Errichtung von Immobilien umfassen jedoch häufig Leistungsverpflichtungen, die bereits vor Beginn der Bauleistung erbracht und folglich nicht auf dem Grundstück des Kunden ausgeführt werden, wie bspw. Planungsleistungen oder die Anfertigung bestimmter Bauteile (vgl. Baur et al., KoR 2016, S. 396 f). Da der Kontrollübergang im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen ist, können derartige nicht eigenständige Leistungsverpflichtungen einem kontinuierlichen Kontrollübergang entgegenstehen (vgl. Baur et al., KoR 2016, S. 396 f.). Auch gesetzliche oder vertragliche Herausgabeansprüche des Kunden, die bei Kündigung zur Vergütung der Teilleistung verpflichten, sprechen gegen eine kontinuierliche Kontrolle im Sinne von IFRS 15.35(b), da der Kunde nicht bereits während der Leistungserbringung sondern erst nach Kündigung und erfolgter Abnahme Kontrolle erlangt (vgl. Baur et al., KoR 2016, S. 397 f.; a. A. Heintges/Erber, WPg 2016, S. 1020–1022).
Tz. 203
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Neben der kontinuierlichen Kontrolle während des Leistungsprozesses ist das Kriterium des fehlenden alternativen Nutzens und des durchsetzbaren Zahlungsanspruchs zu überprüfen. Die alternative Nutzungsmöglichkeit verweist auf die Möglichkeit des Unternehmens, den erstellten Vermögenswert ohne wesentliche Anpassungen auch an andere Kunden weiterverkaufen zu können, und wird folglich durch die Kundenspezifität konkretisiert (vgl. Tz. 73). So ist bspw. ein spezialisierter Satellit, dessen Design und Bauart sich nach den jeweiligen Kundenwünschen richtet, aufgrund der kundenspezifischen Erstellung faktisch nicht alternativ nutzbar, da das Unternehmen für den Weiterverkauf des Satelliten an einen anderen Kunden wesentliche Anpassungskosten aufwenden müsste (IFRS 15.IE75). Eine Konkretisierung des Kriteriums der Spezifizierung oder der Wesentlichkeit der aufzuwendenden Kosten erfolgt indes nicht. Auch unter Rückgriff auf das Kriterium des IFRS 15.29(b) zur Abgrenzung eigenständiger Leistungsverpflichtungen, das die Kundenspezifität durch die individuelle, aufeinander abgestimmte Anpassung einzelner Leistungen definiert (vgl. Tz. 62), liegt die Beurteilung der Kundenspezifizierung im Wesentlichen im Ermessen des Unternehmens. Insbesondere bei Eigentumswohnungen ist die Abgrenzung im Einzelfall jedoch unklar. Orientiert sich ein Unternehmen daher an den bislang geltenden Kriterien des IFRIC 15, würde das Kriterium der Kundenspezifität die Möglichkeit des Kunden verlangen, die strukturellen Hauptelemente des Bauplans vor Baubeginn bestimmen bzw. die strukturellen Hauptelemente während der Errichtung einfordern zu können. Da der Käufer einer Immobilie gewöhnlich nicht die Berechtigung hat, derart weitreichenden Einfluss auf die Errichtung zu nehmen, wäre das Merkmal der Kundenspezifität in den meisten Fällen nicht erfüllt und folglich eine zeitpunktbezogene Umsatzerfassung geboten.
Tz. 204
Stand: EL 31 - ET: 3/2017
Die fehlende alternative Verwendungsmöglichkeit kann nach IFRS 15 jedoch auch bei Vorliegen etwaiger vertraglicher Einschränkungen gegeben sein (vgl. Tz. 74). Eine standardisierte, mithin nicht kundenspezifisch erstellte Immobilie kann demzufolge nicht alternativ genutzt werden, wenn das Unternehmen aufgrund einer substanziellen Vereinbarung verpflichtet ist, die Immobilie ausschließlich dem Kunden zu übertragen. Derartige vertragliche Beschränkungen bestehen häufig bei Immobilienverträgen (IFRS 15.BC137). Veräußert ein Unternehmen demnach bspw. Eigentumswohnungen in einem zu errichtenden Wohnkomplex, bei der jede Wohneinheit einen ähnlichen Grundriss und eine vergleichbare Größe aufweist und diese sich nur zB hinsichtlich der Lage der Wohnung unterscheiden, kann trotz der fehlender Kundenspezifität die alternative Verwendungsmöglichkeit eingeschränkt sein, sofern im Kaufvertrag eine das Unternehmen im Weiterkauf beschränkende Vereinbarung getroffen wurde (IFRS 15.IE84 f.). Besitzt das Unternehmen in diesem Fall einen rechtlich durchsetzbaren Zahlungsanspruch – der nach deutschem Zivilrecht aufgrund der fehlenden Berücksichtigung von Leistungsstörungen regelmäßig bestehen sollte (vgl. Tz. 199) –, sind die Umsatzerlöse aus ...