Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 134
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Im Unterschied zu den oben beschriebenen Schulden bzw. unternehmenseigenen Eigenkapitalinstrumenten treten auch Fälle auf, in denen ein beobachtbarer Preis für die Übertragung der identischen oder ähnlichen Position nicht verfügbar ist und in denen diese Position auch nicht als korrespondierender Vermögenswert von Dritten gehalten wird.
Aus den Leitlinien des IFRS 13 sind keine weiteren Konkretisierungen für diesen Sachverhalt ersichtlich. Es wird lediglich beispielhaft eine Stilllegungsverpflichtung für solch einen Fall aufgeführt (IFRS 13.B31). Für das bilanzierende Unternehmen bleiben somit verschiedene Abgrenzungsfragen offen. So ist fraglich, wann ein korrespondierender Vermögenswert nicht vorliegt, ob solch ein Vermögenswert nur denkbar sein muss und mit welchem Aufwand die Identifizierung erfolgen sollte (vgl. Weber/Lauer, DB 2014, S. 2361). Ein korrespondierender Vermögenswert wird indes nur dann nicht vorliegen, wenn es sich um eine einseitige Verpflichtung handelt oder aber der korrespondierende Vermögenswert nicht ansatzfähig ist (vgl. ausführlich Weber/Lauer, DB 2014, S. 2361f.).
Erst wenn weder beobachtbare Preise für die Übertragung der identischen oder ähnlichen Position noch ein korrespondierender Vermögenswert verfügbar sind, muss das bilanzierende Unternehmen den beizulegenden Zeitwert des Fremd- bzw. Eigenkapitalinstrumentes ermitteln, indem es Bewertungsmethoden aus Sicht eines Marktteilnehmers anwendet, der die Zahlungsansprüche aus der Schuld bzw. aus dem Eigenkapitalinstrument erfüllen muss (IFRS 13.40).
Tz. 135
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Verwendet das bilanzierende Unternehmen zur Fair-Value-Ermittlung bspw. eine barwertorientierte Bewertungsmethode, so kann dieses wie folgt vorgehen: Das Unternehmen kann gemäß IFRS 13.41 einerseits jene künftigen Zahlungsmittelabflüsse einbeziehen, die ein Marktteilnehmer im Rahmen der Begleichung der fortbestehenden Verpflichtung erwartet, oder andererseits den Betrag verwenden, den ein Marktteilnehmer für eine Emission der (identischen) Schuld- bzw. Eigenkapitalposition erhalten würde (vgl. Tz. 137). In ersterem Fall muss die Kompensation des Marktteilnehmers berücksichtigt werden, die dieser für die Übernahme der Verpflichtung verlangt (IFRS 13.41 (a); IFRS 13.B31). Eine solche Entlohnung berücksichtigt nach IFRS 13.B31 die Rendite, die ein Marktteilnehmer zum einen für die Erfüllung der Schuld (dh. die Opportunitätskosten der erwarteten Auszahlungen) und zum anderen für die Übernahme des mit der Schuld verbundenen Risikos verlangt, dass die realisierten von den erwarteten Zahlungsmittelabflüssen abweichen (dh. die Risikoprämie). Herausfordernd ist die Ermittlung dieser hypothetischen Risikokompensation besonders in den Fällen, in denen die künftige, mit der Schuld verbundene Auszahlungsverpflichtung weit in der Zukunft liegt und zugleich durch hohe Abweichungsrisiken gekennzeichnet ist. Sofern keine hierauf bezogenen Marktdaten verfügbar sind und sich die Kompensation auch nicht anderweitig marktbasiert ableiten lässt, müsste das bilanzierende Unternehmen auf seine eigenen Einschätzungen der Marktrisikoprämie zurückgreifen (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 968).
Die Kompensation kann auf unterschiedliche Weise in der Fair-Value-Bewertung erfasst werden. Der vertraglich festgelegte Zinssatz einer finanziellen Schuld umfasst idR die Kompensation sowohl für die Erfüllung der Schuld als auch für die Übernahme des Risikos. Zum Bewertungsstichtag muss das Unternehmen prüfen, ob der festgelegte Zins den Renditeforderungen anderer Marktteilnehmer für die Übernahme der Schuld entspricht und ggf. Anpassungen vornehmen. Eine nichtfinanzielle Schuld weist dagegen idR weder eine vertraglich festgelegte Rendite auf, noch ist diese am Markt beobachtbar (IFRS 13.B32). Daher soll das Unternehmen die Renditeforderungen der Marktteilnehmer für die Erfüllung der nichtfinanziellen Schuld und für die Risikoübernahme schätzen. Sind diese beiden Komponenten nur schwer voneinander abgrenzbar, so kann das Unternehmen auch eine kombinierte Prämie schätzen. Dies könnte zB der Fall sein, wenn der Preis einer dritten Partei verwendet wird, die eine fixe Gebühr verlangt. Falls die Prämien indes voneinander abgegrenzt werden können, sollte das Unternehmen diese getrennt schätzen (zB wenn der Preis einer dritten Partei verwendet wird, die eine Gebühr plus die anfallenden Kosten in Rechnung stellt, da sie das Risiko abweichender Kosten nicht tragen möchte).
Das bilanzierende Unternehmen kann die Risikoprämie im Rahmen von einkommensbasierten Bewertungsmethoden entsprechend der allgemeinen Äquivalenzprinzipien wie folgt in die Fair-Value-Bewertung einfließen lassen (IFRS 13.B33): Entweder werden die erwarteten künftigen Cashflows korrigiert oder der Abzinsungssatz wird angepasst. Das Unternehmen muss dabei sicherstellen, dass einerseits alle für die Preisfindung relevanten Risikoprämien einkalkuliert werden und andererseits keine Doppelerfassungen vo...