Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 214
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 sieht keine grundsätzliche Konsolidierungsausnahme für Tochterunternehmen vor, die unter erheblichen und langfristigen Beschränkungen tätig sind, und die dazu führen kann, dass der Anspruch auf Finanzmitteltransfers an das Mutterunternehmen wesentlich beeinträchtigt ist (zB Devisentransferbeschränkungen oder andere staatliche Dividendenausschüttungsbeschränkungen). Das in IAS 27.13 (b) (rev. 2000) noch enthaltene Konsolidierungsverbot für Tochterunternehmen, die von derartigen Restriktionen betroffen sind, wurde bereits mit der Änderung von IAS 27 (rev. 2003) im Rahmen des Improvements Project 2003 ersatzlos gestrichen.
Tz. 215
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Beschränkungen des Finanzmitteltransfers verhindern für sich allein genommen nicht bereits die Beherrschung über das Beteiligungsunternehmen (IFRS 10.BCZ21). Allerdings ist zu beurteilen, ob die Beschränkungen dazu führen, dass die Kriterien der Beherrschung nicht mehr erfüllt sind. In diesem Fall kommt es zu einem Verlust der Beherrschung iSv. IFRS 10 Appendix A und zur Endkonsolidierung.
Tz. 215a
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Die Beschränkung des Finanzmitteltransfers ist im Hinblick auf das Kriterium der schwankenden Renditen kritisch zu diskutieren und zu beurteilen. Zum einen ist zu berücksichtigen, ob sich die Beschränkungen des Finanzmitteltransfers auf alle Arten der möglichen Rückflüsse beziehen (vgl. Tz. 144). Neben Dividenden- und Zinszahlungen ist auch an Kapitalrückführungen, Vermögenswertübertragungen oder Vergütungen für Dienstleistungen wie Vermögensverwaltungen zu denken. Rückflüsse können auch Vorteile sein, die anderen Anteilseignern nicht zugänglich sind, wie zB Kosteneinsparungen oder Synergien. Zum anderen dürfte der Investor gar keiner positiven wie negativen schwankenden Rendite mehr ausgesetzt sein, damit das Beherrschungselement der schwankenden Rendite stets zu verneinen wäre (vgl. Tz. 147). Selbst wahrnehmbare wirtschaftliche Einschränkungen (bspw. durch eingeschränkte Finanzmitteltransfers, erhöhte Steuern oder Abgaben) senken zwar den Unternehmenswert eines Tochterunternehmens, führen aber nicht stets zum Verlust der Beherrschung des Tochterunternehmens.
Tz. 215b
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
In Bezug auf die Verfügungsgewalt über das Tochterunternehmen ist zudem zu fragen, ob die Beschränkungen des Finanzmitteltransfers durch weitere Einschränkungen in Bezug auf die gesellschafterrechtlichen Eigentümerrechte oder die Führung des operativen Geschäfts begleitet werden, die ggf. dazu führen, dass keine Verfügungsgewalt mehr vorliegt. Hierbei ist bspw. an Beschränkungen der Ausübung der Stimmrechte oder das Besetzungsrecht der Organe zu denken.
Tz. 215c
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Sofern die Beherrschung verloren wird, jedoch weiter Anteile an dem Unternehmen gehalten werden, ist nach den allgemeinen Kriterien zu prüfen, ob das Unternehmen als Gemeinschaftsunternehmen (IFRS 11) oder als assoziiertes Unternehmen (IAS 28) in den Konzernabschluss einzubeziehen ist oder die Kapitalanteile ggf. als einfache Beteiligung nach IFRS 9 zu behandeln sind. Zum Teil wird die Beschränkung des Finanzmitteltransfers als die "gravierendste denkbare Beeinträchtigung der Beherrschungsmöglichkeit" dargestellt (Ruhnke/Schmidt/Seidel, BB 2004, S. 2234). Führt die Beschränkung (zB im Fall eines Schutzes des Tochterunternehmens durch Insolvenzrecht) aber nicht zu einem Verlust der Beherrschung über das Tochterunternehmen, so ist das Tochterunternehmen zwingend zu konsolidieren. Weitere Bilanzierungsauswirkungen der Beschränkungen des Finanzmitteltransfers sind allerdings für den Konzernabschluss zu berücksichtigen. Wenn die Finanzmittel in dem betroffenen Land noch für operative Zwecke genutzt werden können, ist ein Ausweis als Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalent im Konzernabschluss weiterhin angemessen, aber die Angabe der Verfügungsbeschränkung gem. IAS 7.49 zu prüfen (vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 7, Tz. 183). Sollten die Finanzmittel (teilweise) nicht mehr für operative Zwecke genutzt und dauerhaft auch nicht mehr an das Mutterunternehmen ausgeschüttet werden können, ist eine Wertminderung zu prüfen. Sind die Finanzmittel dagegen dauerhaft "eingefroren" und daher nicht mehr verfügbar, ist der Ausweis als Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalent nicht mehr sachgerecht.