Tz. 95

Stand: EL 25 – ET: 01/2015

In der Literatur werden unterschiedliche Meinungen vertreten, welche Auswirkungen die Einstandspflicht des Arbeitgebers nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG auf die formale Einordnung der Direktversicherung hat. Nach einer Ansicht erfüllen Direktversicherungen die formalen Kriterien eines defined contribution plans, wenn sie folgende Eigenschaften aufweisen und damit für den Arbeitgeber bis auf dessen Einstandspflicht risikolos sind (vgl. DAV/IVS, Richtlinie, S. 29 und Neumeier/Hagemann, in: Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, § 22, Tz. 11 und 62):

1. Das Unternehmen ist Versicherungsnehmer und damit verpflichtet, die Beiträge zu entrichten.
2. Der Arbeitnehmer ist versicherte Person und Bezugsberechtigter.
3. Der Arbeitnehmer hat einen Rechtsanspruch gegen den Versicherer.
4. Der Versicherer garantiert seine Leistung unter Einhaltung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen.
5. Die garantierten Leistungen beruhen auf den gezahlten Beiträgen.
6. Aufgrund vorsichtiger Kalkulation planmäßig eintretende Überschüsse werden dem Arbeitnehmer gutgeschrieben.
7. Bei unverfallbarem Ausscheiden des Arbeitnehmers sind die verbleibenden Anwartschaften ausfinanziert.
8. Bei vorzeitigem Altersrentenbeginn richtet sich die Leistung nach dem vorhandenen Deckungskapital der Versicherung.
9. Bei Rentenleistungen sieht die Zusage Rentenanpassungen im Umfang der Überschussbeteiligung gem. § 16 Abs. 3 Nr. 2 bzw. § 16 Abs. 5 BetrAVG vor.

Für alle denkbaren Leistungsfälle zahlt demnach der Versicherer die Leistungen an den Arbeitnehmer, ohne dass er gegenüber dem Unternehmen einen Anspruch auf Ausgleichs- bzw. Nachzahlungen hat.

Dass bei einer arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung das Deckungskapital dem Unternehmen idR gutgeschrieben wird, sofern ein Mitarbeiter mit verfallbarer Anwartschaft ausscheidet (vgl. auch Tz. 74), ist für die Klassifizierung als defined contribution plan unschädlich (vgl. IASB, IFRIC Update July 2011, S. 3). Dagegen liegt kein defined contribution plan vor, wenn die Beiträge zwar nach vorsichtigen aufsichtsrechtlichen Rechnungsgrundlagen kalkuliert werden, realistischerweise aber zB ein den Rechnungszins deutlich übersteigender langfristiger Vermögensertrag zu erwarten ist und diese Überschüsse durch Barausschüttung, künftige Beitragsminderung oder durch Anrechnung der erhöhten Leistungen auf einen anderen Versorgungsplan des Arbeitgebers (teilweise) planmäßig an den Arbeitgeber zurückfließen (vgl. DAV/IVS, Richtlinie, S. 6).

 

Tz. 96

Stand: EL 25 – ET: 01/2015

Nach einer anderen, streng formalen Sichtweise werden die Kriterien eines defined contribution plans durch die Direktversicherung nicht erfüllt, da aufgrund der arbeitsrechtlichen Subsidiärhaftung eine Verpflichtung beim Arbeitgeber verbleibt (vgl. Mühlberger/Gohdes/Stöckler, in: Internationales Bilanzrecht, IAS 19, Tz. 167; Seemann, in: Beck IFRS-Handbuch, § 26, Tz. 22). Die in IAS 19.49 durch den Abschluss eines Versicherungsvertrags beschriebene Abgeltung (settlement) der Leistungsverpflichtung liegt bei einer Direktversicherung somit nicht vor. Aufgrund des Leistungsversprechens des Arbeitgebers im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis und der damit verbundenen Einstandspflicht werden die Anforderungen an eine Abgeltung (settlement) iSv IAS 19.111 (vgl. Tz. 45) nicht erfüllt. Diese Ansicht wird auch von den Mitarbeitern des IASB vertreten. So wird iZm. sog. contribution-based promises ausgeführt, dass nach Ansicht der Mitarbeiter des IASB die Tatsache, dass das Unternehmen eine Versicherung abgeschlossen hat, nichts daran ändert, dass das Unternehmen letztlich verantwortlich für die Erwirtschaftung der im Plan garantierten Rendite bleibt. Das Unternehmen erwirbt durch die Versicherung vielmehr einen separaten Vermögenswert (vgl. IASB, Staff Paper, IFRS IC Meeting, September 2012, Agenda Paper 5B, Tz. 26). International werden solche Zusagen nach den Angaben in dem Staff Paper jedoch nicht einheitlich behandelt. In manchen Rechtsgebieten erfolgt eine Einstufung als defined contribution plan, in anderen als defined benefit plan (vgl. IASB, Staff Paper, IFRS IC Meeting, September 2012, Agenda Paper 5B, Tz. 27). Indes gibt es keine offiziellen Aussagen des IASB zu diesem Thema; zudem hat das IFRS IC die Arbeiten zum Thema contribution-based promises eingestellt (zur aktuellen Entwicklung vgl. Tz. 256).

 

Tz. 97

Stand: EL 25 – ET: 01/2015

Unabhängig von der vertretenen Ansicht wird man eine Direktversicherung, die die og. Kriterien (vgl. Tz. 95) erfüllt, und für die der Eintritt des Haftungsfalls aufgrund der Bonität des Versicherers nahezu ausgeschlossen werden kann, in der Praxis materiell wie einen defined contribution plan behandeln können, weil andernfalls die Einstufung als defined benefit plan iVm. mit einem qualifizierten Versicherungsvertrag zu einer Saldierung mit dem Ergebnis einer Rückstellung in Höhe von null führen würde.

Sollten jedoch nicht alle o. g. Kriterien erfüllt sein, spricht viel für die Einstufung als defined benefit p...

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