Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 8
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Die zweite Erleichterungsvorschrift gilt für Leasingverhältnisse, denen ein geringwertiger Vermögenswert (low value asset) zugrunde liegt. Der IASB definiert indes nicht explizit im Standard, wodurch ein geringwertiger Vermögenswert gekennzeichnet ist. In den offiziellen Anwendungsleitlinien sind lediglich qualitative Kriterien verankert, die für eine Wahlrechtsausübung erfüllt sein müssen (IFRS 16.B5). Dass der IASB zunächst auf die Definition quantitativer Grenzwerte verzichtet, dürfte wohl den vergangenen Erfahrungen mit außerbilanziellen Gestaltungen basierend auf der quantitativen Abgrenzung der Chancen und Risiken aus IAS 17 geschuldet sein. Konkret sind folgende qualitative Merkmale zu prüfen: Erstens setzt eine Geringwertigkeit voraus, dass das Leasingobjekt entweder einzeln oder aber in Verbindung mit bereits vorhandenen Unternehmensressourcen nutzbar ist (IFRS 16.B5 (a)). Zweitens darf das Leasingobjekt nicht von anderen Vermögenswerten abhängig oder nur mit anderen Vermögenswerten im Verbund nutzbar sein (IFRS 16.B5 (b)). In einem solchen Fall würde die Wertigkeit der anderen Vermögenswerte auf das Leasingobjekt abstrahlen und die Geringwertigkeit infrage stellen. Damit zielt diese Erleichterungsvorschrift maßgeblich auf standardisierte Leasingobjekte mit einer selbstständigen Nutzung wie PC- und Telekommunikations-Equipment oder Büroausstattung ab (siehe auch die in IFRS 16.B8 genannten Beispiele; vgl. ähnlich auch Kajüter/Meinhövel, KoR 2016, S. 427). Werden hingegen bspw. Module zur Aufstockung der Speicherkapazitäten eines Servers angemietet, die nur zusammen mit dem Server genutzt werden können, so könnten zwar diese Module für sich genommen von geringem Wert sein, allerdings stehen sie in einem engen Funktionszusammenhang mit dem Server, sodass hier kein geringwertiges Leasingverhältnis vorläge (IFRS 16.IE3 Example 11 (f)).
Tz. 8a
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Zudem stellt der IASB explizit heraus, dass sich die Geringwertigkeit am Neuwert des Vermögenswertes orientieren muss, selbst dann, wenn das Nutzenpotenzial des Leasingobjekts zu Beginn der Leasinglaufzeit bspw. durch vorherige Leasingverhältnisse oder Nutzungen anderer Leasingnehmer bereits teilweise aufgezehrt ist (IFRS 16.B3). Auf Leasingverhältnisse über Automobile wird dieser Ausnahmetatbestand folglich regelmäßig nicht zutreffen, da ein Neuwagen gewöhnlich nicht von geringem Wert ist (IFRS 16.B6; vgl. Fischer, PiR 2016, S. 57). Die Beurteilung der Geringwertigkeit muss auf absoluten Wertmaßstäben – ungeachtet des Konzepts der Wesentlichkeit – beruhen (IFRS 16.B4). So ist die Geringwertigkeit eines Leasingobjekts nicht relativ, bspw. mit Blick auf die konkrete Vermögens- und Finanzlage des jeweiligen Leasingnehmers, zu beurteilen, sodass etwa die Größe, die Art der Geschäftstätigkeit und die spezifischen Gegebenheiten des Leasingnehmers für eine Beurteilung der Geringwertigkeit irrelevant sind (IFRS 16.B4; vgl. Lange/Müller, IRZ 2016, S. 113). Der IASB zielt hier insofern darauf ab, dass zwei unterschiedliche Leasingnehmer losgelöst von ihren unternehmensindividuellen Umständen möglichst zum selben Ergebnis kommen, die Beurteilung der Geringwertigkeit eines Vermögenswertes mithin allgemeingültig ist (vgl. auch Freiberg, BB 2015, S. 2542; Lange/Müller, IRZ 2016, S. 113; Gebhardt, in: Thiele/von Keitz/Brücks, 41. Erg.-Lfg. April 2019, IFRS 16, Tz. 121).
Tz. 8b
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Schlussendlich unterliegt der IASB dennoch der Versuchung, einen quantitativen Grenzwert für geringwertige Leasingobjekte in den Basis for Conclusions zu definieren: So führt der Standardsetzer in IFRS 16.BC100 aus, dass er im Jahr 2015 – als er die Erleichterungsvorschrift für geringwertige Leasingverhältnisse ausgearbeitet hat – einen Wert von 5.000 USD als Obergrenze für geringwertige Leasingobjekte vor Augen hatte. Hier ist der Einschätzung von Freiberg zu folgen, dass dieser Wert "willkürlich" erscheint (Freiberg, BB 2015, S. 2542). Zudem ist dieser Wert lediglich den (nicht verpflichtend anzuwendenden) Basis for Conclusions zu entnehmen, mithin hat der IASB darauf verzichtet, diesen Schwellenwert in den verpflichtenden anzuwendenden Teil der IFRS zu verankern. Daher sollte dieser Wert nicht als starre Freigrenze interpretiert werden. Gleichwohl ist auch zu beachten, dass in den Basis for Conclusions die Regelungsabsicht des Standardsetzers zum Ausdruck kommt (vgl. Schild, DK 2019, S. 123; Höbener, 2020, S. 43f.). Folglich dient der Wert zumindest als Richtschnur, die allerdings nicht losgelöst von länder- und branchenspezifischen Besonderheiten betrachtet werden kann (vgl. auch Eckl et al., DB 2016, S. 668; Dinh et al., PiR 2016, S. 238). So mag es auch Sachverhalte geben, bei denen die Grenze der Geringwertigkeit niedriger zu bemessen ist. Hier sollte eine Abwägung insbesondere vor dem Hintergrund des Informationsinteresses der Adressaten erfolgen.
Der konkrete für die Beurteilung der Geringwertigkeit herangezogene Sch...