Tz. 22

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Eine wesentliche Prämisse bei der Fair-Value-Bewertung ist die gewöhnliche Transaktion zwischen Marktteilnehmern, im Rahmen derer der Vermögenswert am Bewertungsstichtag (fiktiv) veräußert bzw. die Schuld übertragen wird. Im Rahmen einer gewöhnlichen Transaktion muss das Unternehmen die Möglichkeit haben, auf dem Markt für einen bestimmten Zeitraum zu agieren, innerhalb dessen normale und handelsübliche Marketingmaßnahmen möglich sind (IFRS 13, Appendix A). Es handelt sich bei dieser Form der Transaktion folglich nicht um eine erzwungene Veräußerung bzw. Übertragung (bzgl. Liquidation oder Notverkauf vgl. Tz. 102).

Bei der Bestimmung der Transaktion werden stets die am Bewertungsstichtag herrschenden Marktbedingungen unterstellt (IFRS 13.15). IFRS 13 geht ferner immer von einem Absatzmarkt aus (hierzu kritisch vgl. Tz. 34; dazu auch Löw/Antonakopoulos/Weiland, WPg 2007, S. 737). Der IASB folgt damit der Konzeption, dass der beizulegende Zeitwert ein Marktwert ist und folglich kein unternehmensspezifisches Maß sein kann (vgl. Tz. 17). Dabei wird stets der (fiktive) Abgang der zu bewertenden Position unterstellt. Der Bezug zu einer Markttransaktion bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich bei einem Markt um einen strukturierten, formellen oder organisierten Markt (zB Xetra) handeln muss (vgl. KPMG, Insights into IFRS 2018/2019, Tz. 2.4.100.110). Besteht solch ein Markt nicht, kann auch auf eine hypothetische Transaktion abgestellt werden (vgl. Tz. 29).

 

Tz. 22a

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Existieren für die zu bewertende Position mehrere Handelsplätze, so hat das berichterstattende Unternehmen abzuleiten, welcher der relevante Markt für die Bestimmung des beizulegenden Zeitwertes ist. Der Prozess zur Identifikation des relevanten Marktes für die mit dem Fair Value zu bewertende Position kann der nachfolgenden Abbildung entnommen werden und wird im Folgenden erläutert (vgl. Tz. 23–30):

Abb. 1: Identifikation des relevanten Marktes

 

Tz. 23

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Erster Anknüpfungspunkt für die Identifikation des relevanten Marktes ist der Hauptmarkt, subsidiär ist der vorteilhafteste Markt maßgeblich (IFRS 13.16). Der (objektspezifische) Hauptmarkt ist der Markt mit dem größten Handelsvolumen und der höchsten Marktaktivität, auf dem das bilanzierende Unternehmen die Transaktion eingehen könnte (IFRS 13, Appendix A). Der Board stellt klar, dass hinsichtlich der Bestimmung des Hauptmarktes auf das Handelsvolumen bzw. die Marktaktivität des Vermögenswertes bzw. der Schuld als solche und nicht auf das Unternehmen abzustellen ist (IFRS 13.BC52; vgl. für ein Beispiel EY, International GAAP 2018, S. 929; Zwirner/Boecker, IRZ 2014, S. 52). Es ist also derjenige Markt heranzuziehen, der das höchste Handelsvolumen bzw. die höchste Marktaktivität für die jeweilige Position aufweist, dh., es handelt sich dabei nicht zwingend um den Markt, auf dem das Unternehmen die höchste Handelsaktivität pflegt.

 

Tz. 24

Stand: EL 38 – ET: 6/2019

Kann der Hauptmarkt nicht eindeutig identifiziert werden bzw. existiert dieser nicht, so sind der Fair-Value-Bewertung die Verhältnisse des vorteilhaftesten Marktes zugrunde zu legen (IFRS 13.16 (b)). Eine Klarstellung, wann ein Hauptmarkt nicht existiert, ist in IFRS 13 indes nicht enthalten (vgl. Große, KoR 2011, S. 288). Der vorteilhafteste Markt ist dadurch gekennzeichnet, dass bei der Veräußerung des Vermögenswertes – unter Berücksichtigung von Transport- und Transaktionskosten (IFRS 13.BC54; IFRS 13, Appendix A) – auf diesem Handelsplatz der maximale Erlös erzielt würde. Der vorteilhafteste Markt bei der Übertragung einer Schuld ist derjenige Markt, auf dem der geringste Betrag – ebenfalls unter Berücksichtigung von Transport- und Transaktionskosten (IFRS 13.BC54; IFRS 13, Appendix A) – zu entrichten wäre (für ein Beispiel vgl. Tz. 37).

Im Gegensatz zu den Transportkosten dürfen die Transaktionskosten letztlich jedoch nicht in den beizulegenden Zeitwert einfließen, da sie in keinem Fall charakteristisch für den zu bewertenden Vermögenswert bzw. die zu bewertende Schuld sind (IFRS 13.25f.; vgl. auch Wieland-Blöse/André, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 13, Tz. 134). Dies kann dazu führen, dass der aufgrund des erzielbaren Nettobetrages vorteilhafteste Markt nicht in jedem Fall mit dem höchsten Fair Value übereinstimmt. Dies ist dann der Fall, wenn im Vergleich zweier Märkte die jeweiligen Transaktionskosten den Ausschlag für die Identifikation des vorteilhaftesten Marktes geben (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 930; für ein Beispiel vgl. Tz. 37). Ursprünglich war vorgesehen, dass stets der vorteilhafteste Markt unterstellt werden sollte, da dadurch – unter der Maßgabe der rationalen Abgangsfiktion – die realistischsten Zahlungsströme abgebildet werden (IFRS 13.BC48). Der IASB ist davon jedoch aus Praktikabilitätsgründen abgewichen (IFRS 13.BC53). Zum einen ist das Unternehmen (bei Existenz eines Hauptmarktes) dadurch nicht permanent zur Beobachtung von Preisno...

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