Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 168
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Die Erwerbsmethode verlangt, dass sämtliche identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte, die das erwerbende Unternehmen durch den Unternehmenszusammenschluss erworben hat, separat in der Konzernbilanz anzusetzen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die immateriellen Vermögenswerte bereits vor dem Unternehmenszusammenschluss im Abschluss des erworbenen Unternehmens angesetzt waren oder nicht. Nach IFRS 3 ist ein Sachverhalt als erworbener immaterieller Vermögenswert anzusetzen, sobald er die Definitionskriterien eines immateriellen Vermögenswertes nach IAS 38 erfüllt, dh. identifizierbar ist. Die zuverlässige Ermittelbarkeit des beizulegenden Zeitwerts wird unterstellt (vgl. Tz. 163 ff.).
Tz. 169
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Ausgangspunkt des Ansatzes erworbener immaterieller Vermögenswerte ist ein systematischer Identifikationsprozess, in dem alle bisher noch nicht bilanzierten potenziellen immateriellen Vermögenswerte auf ihre Bilanzierungsfähigkeit untersucht werden. Hierfür sind ein grundlegendes Verständnis der zugrunde liegenden Transaktion sowie eine Analyse des Geschäftsmodells von entscheidender Bedeutung. Ferner ist die Intention des Erwerbers sowie dessen Unternehmensstrategie zur Ermittlung stiller Reserven maßgeblich.
Tz. 170
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Obwohl die Bilanzierung von immateriellen Vermögenswerten grundsätzlich in IAS 38 geregelt wird, werden im Folgenden die Besonderheiten bei der Bilanzierung von erworbenen immateriellen Vermögenswerten dargestellt, da sie bei Unternehmenszusammenschlüssen eine große Rolle spielen.
Tz. 171
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Im Gegensatz zum HGB differenzieren die Regelungen des IASB nicht explizit in selbst erstellte und erworbene immaterielle Vermögenswerte. Allgemein gilt, dass selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte zu aktivieren sind, sofern sie die Definitions- und Ansatzkriterien eines immateriellen Vermögenswertes nach IAS 38 erfüllen. Für einige selbst erstellte immaterielle Vermögenswerte, wie Zeitschriftentitel, Kundenlisten, Marken und ähnliche Posten enthält IAS 38.63 allerdings ein ausdrückliches Aktivierungsverbot (§ 248 Abs. 2 HGB enthält dagegen ein beschränktes Aktivierungswahlrecht). Vielen der selbst erstellten immateriellen Vermögenswerte fehlt es allerdings an der Wahrscheinlichkeit des künftigen Nutzenzuflusses, sodass sie nicht die allgemeinen Ansatzkriterien eines Vermögenswertes erfüllen und somit auch nicht nach IAS 38.21 angesetzt werden dürfen. Sobald diese nicht aktivierungsfähigen immateriellen Vermögenswerte indes entgeltlich erworben werden, zB im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses, sind die zugrunde liegenden Sachverhalte neu zu beurteilen. Sie bilden nun erworbene identifizierbare immaterielle Vermögenswerte, für die das Wahrscheinlichkeitskriterium stets als erfüllt gilt (vgl. Tz. 163 ff.). Damit ergibt sich allerdings die (bewusste) Inkonsistenz zwischen IFRS 3 und IAS 38, wonach extern im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbene immaterielle Vermögenswerte gem. IFRS 3 stets anzusetzen sind, intern erstellte immaterielle Vermögenswerte allerdings nur unter den (strengen) Bedingungen des IAS 38 zu aktivieren sind. Durch den Erwerb tritt eine gewisse Objektivierung der Wahrscheinlichkeit des künftigen Nutzenzuflusses ein, welche die Aktivierung und die abweichende Behandlung zu intern erstellten immateriellen Vermögenswerten rechtfertigt.
Tz. 172
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Mit der Veröffentlichung von IFRS 3 (2004) hat der IASB auch die Definitionskriterien von immateriellen Vermögenswerten in IAS 38 geändert. Dabei wurde vor allem das Kriterium der Identifizierbarkeit konkretisiert (vgl. Tz. 173). Hintergrund dieser Änderung war, dass die Bedeutung immaterieller Vermögenswerte insgesamt in der Unternehmenspraxis, vor allem aber bei Unternehmenszusammenschlüssen immer größer wurde, während die Identifizierung dieser Vermögenswerte schwierig ist und zunehmend schwieriger wurde. Erschwerend kam hinzu, dass das Kriterium der Identifizierbarkeit in der bisherigen Fassung von IAS 38 (1998) wenig konkret definiert war. Die Folge war, dass, entgegen der Intention, im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses möglichst viele Vermögenswerte separat vom Goodwill zu bilanzieren, die Unternehmen in praxi in der Vergangenheit vielfach keine immateriellen Vermögenswerte aus dem Unternehmenszusammenschluss im Konzernabschluss angesetzt haben und stattdessen einen höheren Goodwill ausgewiesen haben. Diese Entwicklung wurde vom IASB negativ beurteilt (vgl. auch IFRS 3.BC157). Die Änderungen in IFRS 3 und IAS 38 im Jahr 2004 zielten darauf ab, im Rahmen der Erstbilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen mehr immaterielle Vermögenswerte anzusetzen, um für die Folgebilanzierung, vor allem die des Goodwills (vgl. Tz. 309 ff.), eine entsprechende Ausgangsbasis zu schaffen.
Tz. 173
Stand: EL 32 – ET: 5/2017
Voraussetzung für die Aktivierung eines immateriellen Vermögenswerts ist somit dessen Iden...