Dr. Klaus Kretschik, Dr. Wolfgang Sawazki
Tz. 81
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die derzeit geltenden IFRS erlauben im Ansatz eine Beurteilung des ökonomischen Konsolidierungskreises. Wenn De-jure- von De-facto-Verpflichtungen abweichen, greifen die aktuellen IFRS-Normen jedoch zu kurz. Schon die globale Subprime-/Bankenkrise 2007 machte deutlich, dass Eventualverbindlichkeiten bzw. Liquiditätszusagen über Conduits in Krisenfällen virulent werden können und daher einer Bilanzierung bedürfen. Daneben können Unternehmen, die at equity bilanziert werden, zB operativ vollständig in den Konzern integriert sein, sodass eine Vollkonsolidierung angezeigt wäre. Die Abweichungen zwischen dem durch IFRS vorgegebenen Konzernkreis und dem aus Analysesicht relevanten Konsolidierungskreis werden zwar durch eine Reihe von Angabepflichten beschrieben, eine systematische Darstellung ist aber nicht vorgesehen. Aus Sicht der Autoren ist es dringend erforderlich, im Falle nicht bilanzierungsfähiger oder -pflichtiger Zweckgesellschaften – so wie dies durch IFRS 12 gefordert wird – substantiell materielle Risiken nach Art und potenziellem Umfang im Konzernanhang darzustellen.
Vor diesem Hintergrund ist die mit der Herausgabe des IFRS 10 verbundene Vereinheitlichung der Control-Konzeption grundsätzlich zu begrüßen. Insbesondere ist die im Vergleich zu den alten Regelungen in IAS 27 und SIC-12 stärkere Gewichtung der wirtschaftlichen gegenüber einer rechtlichen Betrachtungsweise hervorzuheben (vgl. Kirsch/Ewelt-Knauer, BB 2011, S. 1645). Die stärkere Betonung der wirtschaftlichen Sichtweise bedeutet jedoch zugleich eine Vielzahl von bilanzierungsrelevanten Ermessensentscheidungen der berichtenden Unternehmen. Aufgrund der hierdurch entstehenden bilanzpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten besteht die Gefahr einer inkonsistenten Anwendung der IFRS 10-Vorgaben in der Bilanzierungspraxis mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die zwischenbetriebliche und zeitliche Vergleichbarkeit von Abschlüssen. Ähnliches gilt für die überarbeiteten Vorschriften des IFRS 11 zu gemeinschaftlichen Aktivitäten; auch hier werden die Verwendung interpretationsbedürftiger Begriffe und eine Vielzahl vom Bilanzierenden zu treffende Ermessensentscheidungen wohl häufig zu einzelfallbezogenen Bilanzierungen führen, die die Gefahr einer inkonsistenten Behandlung gleicher oder ähnlicher Sachverhalte beinhaltet (vgl. Küting/Wirth, KoR 2012, S. 157). Inwieweit die umfangreichen Angabepflichten des IFRS 12 eine verlässliche externe Analyse von Abschlüssen ermöglichen, erscheint zweifelhaft. Positiv hervorzuheben sind allerdings die durch IFRS 12.24 geforderten zusätzlichen Angabepflichten für nicht konsolidierte Zweckgesellschaften. Die vorgesehenen umfangreichen und detaillierten Angabepflichten könnten sogar einen Anreiz für Unternehmen schaffen, bislang nicht konsolidierte Zweckgesellschaften im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einzubeziehen. Hierdurch würde sich der IFRS-Konsolidierungskreis deutlich an den ökonomisch relevanten Konsolidierungskreis annähern (vgl. Zülch/Erdmann/Popp, KoR 2011, S. 512).
Die Analyse des Fremdkapitals lässt mit einem vertretbaren Zeitaufwand durchaus einen tieferen Einblick zu. Das Erkennen spezieller Liquiditäts- oder Kreditrisiken stößt in Einzelfällen an Grenzen, sodass der externe Analyst auf weitere Informationen zur abschließenden Beurteilung angewiesen ist. Die Ratingagenturen stellen einige Grundsatzinformationen bezüglich des Ratingprozesses und der Analyse zur Verfügung. Eine Aufhebung der Informationsasymmetrie für sog. Equity- und Rating-Analysten könnte die Position der Equity-Analysten allerdings noch verbessern.