Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 72
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Level-1-Inputparameter sind quotierte, dh. beobachtbare und nicht modifizierte Preise auf aktiven Märkten für identische Vermögenswerte und Schulden (IFRS 13.76). Derartige Preise werden vom IASB als verlässlichste Indikation des beizulegenden Zeitwertes erachtet (IFRS 13.77; IFRS 13.BC168; vgl. hierzu insgesamt kritisch Homfeldt, PiR 2014, S. 39) und sind folglich bei gegebener Verfügbarkeit stets und im Regelfall ohne Adjustierung für die Bewertungsmodelle als Inputparameter heranzuziehen (vgl. Hitz, WPg 2007, S. 363). Ausnahmen hierzu finden sich lediglich in IFRS 13.79 (vgl. Tz. 78f.). Aufgrund des grundsätzlichen Anpassungsverbotes von direkt beobachtbaren Preisen kommt bei originären Marktwerten auf der ersten Hierarchieebene ausschließlich der marktorientierte Ansatz zur Bewertung in Frage (vgl. Löw/Antonakopoulos/Weiland, WPg 2007, S. 734; vgl. Tz. 66). Sämtliche Adjustierungen eines beobachtbaren Preises an die objektspezifischen Besonderheiten führen unmittelbar dazu, dass der Fair Value nicht mehr der obersten Kategorie (Level-1) zugeordnet werden kann (vgl. Theile, in: IFRS-Handbuch, 5. Aufl., Abschn. B, IV. Bewertung, Tz. 470).
Level-1-Inputparameter werden idR mit aktiv gehandelten (identischen) Finanzinstrumenten wie zB Aktien, Anleihen oder Optionen verbunden (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 1019). Sofern das Kriterium eines aktiven Marktes erfüllt ist, können aber bspw. auch Brokerquotierungen als Level-1-Inputparameter eingeordnet werden (vgl. IDW RS HFA 47, Tz. 81). Sofern jedoch von Dritten Parameter zu einer Durchschnittsgröße verdichtet oder eigene Schätzungen in die Wertermittlung einfließen, liegt kein Level-1-Inputparameter mehr vor (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 38; IFRS IC (Hrsg.), Staff Paper 13 (September 2014), Tz. 37).
Tz. 73
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Für die Qualifikation als Level-1-Inputparameter muss das bilanzierende Unternehmen am Bewertungsstichtag Zugang zu einem aktiven Markt besitzen (IFRS 13.19; vgl. Tz. 27). Als aktiver Markt wird in IFRS 13 derjenige Handelsplatz definiert, an dem hinreichend häufig und in hinreichendem Umfang Transaktionen stattfinden, sodass laufend Preisinformationen über die zu bewertende Position verfügbar sind (IFRS 13, Appendix A). Die in dieser Definition aufgeführten Kriterien erlauben jedoch keine eindeutige Abgrenzung aktiver von inaktiven Märkten, sondern erfordern vielmehr eine einzelfallspezifische Auslegung der Abgrenzungsmerkmale (vgl. Küting/Cassel, BFuP 2012, S. 302). Weitere explizite Leitlinien werden in IFRS 13 nicht aufgeführt, sodass die Entscheidung, ob ein Markt aktiv oder inaktiv ist, regelmäßig im Ermessen des Bilanzierenden liegt. Dieser Umstand wurde im Rahmen des Post-Implementation Review von den Kommentierenden kritisiert (vgl. IASB (Hrsg.), 2017, S. 32), letztendlich jedoch vom IASB nicht angegangen (vgl. IASB (Hrsg.), 2018, S. 8). Somit wird diese Ermessensentscheidung nunmehr bewusst beim Bilanzierenden belassen. Aus diesem Grund sollten Unternehmen klare Kriterien definieren, nach denen aktive von inaktiven Märkten getrennt werden und diese Prozesse dokumentieren (vgl. Purtscher, IRZ 2017, S. 510).
Die Sichtweise des IASB ist jedoch insofern verständlich, als dass es schwierig sein wird, durch explizite qualitative Kriterien oder quantitative Grenzen aktive von inaktiven Märkten abzugrenzen. So unterscheidet sich die Liquidität an Märkten sowohl in Hinblick auf die Art des Marktes als auch der gehandelten Position. Als Anhaltspunkt zur Unterscheidung von aktiven und inaktiven Märkten können jedoch ggf. die Indikatoren dienen, die zur Identifikation eines reduzierten Handelsvolumens bzw. einer geringeren Handelsaktivität herangezogen werden (vgl. Tz. 100b).
Tz. 74
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Der Begriff des aktiven Marktes wurde vor IFRS 13 in IAS 36.6 (rev. 2010), IAS 38.8 (rev. 2004) und IAS 41.8 (rev. 2010) einheitlich definiert. Mit Inkrafttreten von IFRS 13 wird diese Definition durch den neuen, einheitlichen Wortlaut in IFRS 13 (vgl. Tz. 73) ersetzt, der von der bisherigen Definition leicht abweicht. Laut IASB sind die Definitionen indes inhaltlich deckungsgleich (IFRS 13.BC169). Demnach sind auch weiterhin drei in den alten Definitionen enthaltene Bedingungen kumulativ zu erfüllen (vgl. ausführlich Lauer, 2014, S. 198–200): Die auf dem Markt gehandelten Produkte müssen homogen sein, vertragswillige Käufer und Verkäufer müssen jederzeit gefunden werden können und die Preise der Produkte müssen der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Tz. 75
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die Existenz eines aktiven Marktes ist aus quantitativer und qualitativer Sicht zu prüfen. Aus quantitativer Sicht gilt: Ein im Verhältnis zum früheren Marktvolumen stark herabgesetztes Transaktionsvolumen stellt ein geringeres Aktivitätsniveau als zuvor dar, impliziert indes aber noch nicht die Inaktivität des Marktes. So kann bspw. das Transaktionsvolumen eines äußerst ...