Prof. Dr. Bettina Thormann, Prof. Dr. Marius Gros
Tz. 79
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Im Enforcement-Verfahren lassen sich zwei Grundfälle unterscheiden, die bei der Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung zum Tragen kommen: Zum einen kann die Fehlerhaftigkeit bereits unmittelbar aus dem Abschluss bzw. dem Lagebericht als solchem zu erkennen sein (zB Fehlen bestimmter Anhangangaben), sodass es hier keiner Erhebung weiterer Erkenntnismittel bedarf. Zum anderen kann die Würdigung ergänzender Erkenntnismittel zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit erforderlich sein (zB unterlassene Wertberichtigung einer Forderung).
Tz. 80
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Mitunter wird aus den weitergehenden Erkenntnismitteln schon unmittelbar hervorgehen, dass die Rechnungslegung fehlerhaft ist. Im anderen Fall sind Erkenntnismittel in möglichst weitem Umfang zu erheben. Auf der Basis des jeweiligen konkreten Einzelfalls und unter Berücksichtigung aller erkennbaren Gesamtumstände muss die BaFin eine freie Beurteilung vornehmen und sich eine Überzeugung bilden, ob die Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung begründet ist.
Tz. 81
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Eine absolute Gewissheit im Rahmen der Würdigung der Erkenntnismittel dürfte allerdings nicht erforderlich sein. Vielmehr muss ein nur so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit ausreichen, dass ein vernünftiger, sachkundiger Dritter sich dieser Auffassung anschließen würde. Entsprechend wird es typischerweise ausreichen, entsprechende Indizien (im Beispiel: erkennbare Zahlungsschwierigkeit des Schuldners) zu belegen und allgemeine Erfahrungssätze (im Beispiel: höchstwahrscheinliche Aussichtslosigkeit einer vollständigen Durchsetzung des Zahlungsanspruchs) heranzuziehen.
Tz. 82
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Kommt die BaFin trotz der durch das FISG stark ausgeweiteten Befugnisse und Durchgriffsrechte (vgl. Tz. 109ff.) zu dem Schluss, dass trotz bestehender Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften die ausgeschöpften Erkenntnismöglichkeiten keine hinreichend verlässliche Urteilsbasis bilden ("non liquet"), wird sie keine Entscheidung zulasten des Unternehmens treffen.