Prof. Dr. Corinna Ewelt-Knauer, Dr. Julian Höbener
Tz. 9
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Die dritte Erleichterungsvorschrift – die sog. Portfolioausnahme oder auch Portfolioerleichterung – ist sowohl für den Leasingnehmer als auch für den Leasinggeber einschlägig (IFRS 16.B1; siehe zum Regelungspendant im Kontext der Umsatzerfassung aus Kundenverträgen IFRS 15.4). Im Kontext der Leasingbilanzierung ist die maßgebliche Bilanzierungseinheit (unit of account) grundsätzlich das einzelne Leasingverhältnis (bzw. bei mehreren separaten Komponenten die einzelne Leasingkomponente; vgl. Tz. 38), sodass die Vorschriften des IFRS 16 – dem Grundsatz der Einzelbewertung folgend (vgl. IFRS-Komm., Teil A, Kap. II, Tz. 140) – auf einzelne Leasingverhältnisse anzuwenden sind (sog. Contract-by-contract-Methode). Bilanzierende Unternehmen werden jedoch bei der Anwendung von IFRS 16 von dem Grundsatz der Einzelbewertung dann entlastet, wenn sie homogene Leasingverhältnisse abschließen. So können gem. IFRS 16.B1 Leasingverhältnisse mit ähnlichen Eigenschaften optional "im Portfolio" bilanziert werden, wenn das bilanzierende Unternehmen vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass diese Sammelabbildung zu keinen wesentlichen Auswirkungen auf den Abschluss im Vergleich zur Einzelbilanzierung der individuellen Leasingverhältnisse führt. Im Rahmen der Anwendung der Portfolioerleichterung hat der Bilanzierende Schätzungen und Annahmen zugrunde zu legen, die die Größe und Zusammensetzung des Portfolios widerspiegeln (IFRS 16.B1).
Der IASB lässt hinsichtlich der Portfoliobildung gem. IFRS 16.B1 offen, was konkret unter "ähnlichen Eigenschaften" (similar characteristics) zu verstehen ist. Dies dürfte allerdings eine bewusste Entscheidung seitens des Standardsetzers sein. So hat er in den Basis for Conclusions zu IFRS 15 explizit darauf hingewiesen, dass die in IFRS 15.4 verankerte Portfolioerleichterung – die einen (nahezu) gleichen Wortlaut wie die in IFRS 16.B1 aufweist – von keinen weiteren Konkretisierungen flankiert wurde, um die Nützlichkeit der Vorschrift für Anwender sicherzustellen (IFRS 15.BC293; vgl. auch Wätjen, 2020, S. 108f.; zur Portfolioerleichterung im Kontext von IFRS 15 König, 2018, S. 72f.).
Mit Blick auf die Einschränkung von Gestaltungsspielräumen müssen uE jedoch hohe Ansprüche an die Homogenität der in das Portfolio integrierten Leasingverhältnisse gestellt werden. Hinsichtlich der auf Ähnlichkeit zu untersuchenden Eigenschaften des Leasingverhältnisses ist dabei zum einen auf die wesentlichen Vertragskonditionen, wie die Höhe der Leasingzahlungen, der zeitliche Anfall dieser Zahlungen, die Leasinglaufzeit und der Diskontierungszinssatz, abzustellen. Zum anderen ist aber auch die Ähnlichkeit des zugrunde liegenden Leasingobjekts selber zu berücksichtigen (vgl. ausführlich Landgraf/Shirkhani/Singh-Verma, PiR 2017, S. 332–334; Schnabl/Urschler/Wolf, 2017, S. 10). Im Übrigen wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass auch zeitlich versetzte ähnliche Leasingverträge für eine Portfoliobildung in Betracht kommen, auf die dann die Grundsätze der Festwertbilanzierung anzuwenden seien (vgl. dazu ausführlich Behling, BBK 2016, S. 248–250; Landgraf/Shirkhani/Singh-Verma, PiR 2017, S. 335).
Tz. 9a
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Ob diese theoretische Erleichterungsvorschrift zur Portfoliobildung jedoch tatsächlich für die Praxis eine Entlastung bedeutet, ist zumindest fraglich. So müssen zunächst Leasingobjekte aufwendig gruppiert und dann Änderungen im Portfolio intensiv nachgehalten werden (vgl. für diese Kritik exemplarisch auch Eckl et al., DB 2016, S. 669; Findeisen/Adolph, DB 2015, S. 2100; Landgraf/Shirkhani/Singh-Verma, PiR 2017, S. 335f.). Der IASB führt an, dass die Möglichkeit zur Portfoliobildung insbesondere für Leasingnehmer mit einer großen Zahl von ähnlichen Leasingverhältnissen nützlich sein dürfte (IFRS 16.BC83). Dies dürfte typischerweise auf "Massenleasingobjekte" mit stetigem (Flotten-)Austausch wie PKWs oder Nutzfahrzeuge abzielen. Für Leasinggeber wird die Portfolioerleichterung regelmäßig nur für Finance-Leasingverhältnisse von Bedeutung sein (vgl. Wätjen, 2020, S. 108; Schnabl/Urschler/Wolf, 2017, S. 9).
Zu beachten ist ferner, dass von dieser wahlweisen Erleichterungsvorschrift jene Leasingvereinbarungen abzugrenzen sind, die zwei oder mehr Leasingverträge umfassen, die im zeitlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. In diesem Fall müssen diese zusammenhängenden Leasingvereinbarungen auch für bilanzielle Zwecke gebündelt werden (vgl. Tz. 10–14).