Prof. Dr. Bettina Thormann, Prof. Dr. Marius Gros
Tz. 110
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
§ 107 Abs. 8 WpHG ermöglicht der BaFin, bereits während des Verfahrens wesentliche Verfahrensschritte sowie im Laufe des Verfahrens gewonnene Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Rechnungslegung unter Nennung des betroffenen Unternehmens bekannt zu machen, soweit hieran ein öffentliches Interesse besteht. Das heißt, es kann nicht nur das abschließende Ergebnis der Prüfung veröffentlicht werden, sondern auch jeder Zwischenschritt (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 79). Die BaFin hat 2022 erstmals aus § 107 Abs. 8 WpHG das Recht abgeleitet, eine sogenannte "Teilfehlerfeststellung" nicht nur festzustellen, sondern auch zu veröffentlichen. Das Instrument einer Teilfehlerfeststellung ist weder durch die "ESMA Guidelines on enforcement of financial information" noch durch § 109 Abs. 1 WpHG adressiert, wonach die Enforcement-Behörde für den Jahres- oder Konzernabschluss nebst Lageberichten im Rahmen der Prüfung beurteilen und sanktionieren muss, ob die Rechnungslegung fehlerhaft ist.
Tz. 110a
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Vor jeder Veröffentlichung hat die BaFin nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen eine Abwägung vorzunehmen, in der auch die rechtlich geschützten Interessen des betroffenen Unternehmens zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Richtigkeit der bekannt zu gebenden Information hinreichend sichergestellt ist (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 79). In Anlehnung an das Vorgehen der DPR bis zum 31.12.2021 ist davon auszugehen, dass Unternehmen vorab entsprechend informiert werden und noch einmal Gelegenheit zur ausführlichen Stellungnahme erhalten. Hierbei wird das Unternehmen aufgefordert werden zu bestätigen, ob der zugrunde liegende Sachverhalt richtig und vollständig erfasst ist.
Tz. 110b
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Die Veröffentlichung wesentlicher Verfahrensschritte oder von "Teilfehlerfeststellungen" erfolgt auf der Internetseite der BaFin, da diese schnell und leicht zugänglich sei, was auch dem Umstand Rechnung trage, dass die veröffentlichten Informationen potenziell kursrelevant sind (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 79).
Tz. 110c
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Veröffentlichungen während des Verfahrens sollen die Gläubiger und Aktionäre des Unternehmens über wichtige Informationen zu jedem Prüfungsschritt in Kenntnis setzen und es ihnen erleichtern, "das Unternehmen einzuschätzen" (RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 79). Dies diene der Transparenz am Kapitalmarkt, weil einseitige Informationen durch die Unternehmensleitung oder ihrer Bediensteten oder spekulative Berichte verhindert werden könnten. Möglicherweise könnten damit Spekulationen zulasten des Unternehmens, der Gläubiger und der Aktionäre verhindert werden (vgl. RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 79). Die Bekanntmachung der Verfahrensschritte und Erkenntnisse darf keine personenbezogenen Daten enthalten (§ 107 Abs. 8 Satz 2 WpHG).
Tz. 110d
Stand: EL 53 – ET: 05/2024
Nutzt die BaFin das Instrument, während des Verfahrens wesentliche Verfahrensschritte sowie im Laufe des Verfahrens gewonnene Erkenntnisse zu veröffentlichen, wird davon auszugehen sein, dass die BaFin im Falle ausbleibender Beanstandungen, "Entlastungen" ebenso bekannt zu machen hat. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Ergebnis in gleicher Weise veröffentlicht wird, wie zuvor die wesentlichen Verfahrensschritte (vgl. hierzu RegE FISG, BT-Drucks. 19/26966, S. 83; Benzing/Denninger/Röger, NZG 2022, S. 1433; vgl. Tz. 117b; Pötzsch, 2022).