Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Moritz Nonnast
Tz. 55a
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Der IASB hat in IAS 41 die Bilanzierung von Ausgaben im Zusammenhang mit biologischen Vermögenswerten, die nach dem (erstmaligen) Ansatz ebendieser Vermögenswerte zu deren Erhalt, Wachstum oder Veränderung anfallen, wie bspw. Kosten für Futtermittel oder Veterinärmediziner im Falle von Tieren bzw. für Dünger oder Bewässerungsanlagen im Falle von Pflanzen, nicht explizit geregelt (vgl. hier und im Folgenden dieser Tz. Basis for IASC’s Conclusions on IAS 41, Tz. B61f.; E65.32f.). Im Standardentwurf E65 war indes noch vorgesehen, die Ausgaben für Produktion und Ernte biologischer Vermögenswerte aufwandswirksam zu erfassen und die Ausgaben, welche die Zahl der von dem bilanzierenden Unternehmen kontrollierten biologischen Vermögenswerte erhöhen, zu aktivieren. Diese Regelung wurde jedoch nicht in den finalen Standard übernommen, da dies nach Ansicht des IASB bei einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten nicht erforderlich sei. Für Unternehmen im Anwendungsbereich von IAS 41 sind mithin zwei Arten bilanzieller Behandlung der nachträglichen Ausgaben zulässig: (Nach‐)Aktivierung oder (sofortige) Erfassung als Aufwand in der P/L (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, in: Haufe IFRS-Kommentar, 19. Aufl., § 40, Tz. 13).
Tz. 55b
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Aufgrund der aus dem (faktischen) Wahlrecht resultierenden diversity in practice (vgl. IFRS IC, Staff Paper 9 "Subsequent expenditure on biological assets (IAS 41): Initial Consideration", Tz. 16) wurde das IFRS IC im Sommer 2019 um eine Stellungnahme gebeten, ob nach IAS 41 bilanzierende Unternehmen die nachträglichen Ausgaben aufwandswirksam erfassen oder (nach-)aktivieren sollen (vgl. IFRS IC, Staff Paper 9 "Subsequent expenditure on biological assets (IAS 41): Initial Consideration", Tz. 1). Mit der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräußerungskosten zum Ende einer jeden Periode hat die Wahl der bilanzierenden Unternehmen in Bezug auf den Umgang mit nachträglichen Ausgaben gleichwohl keinen Einfluss auf das Periodenergebnis oder auf den Buchwert des biologischen Vermögenswerts (vgl. IFRS IC, Staff Paper 9 "Subsequent expenditure on biological assets (IAS 41): Initial Consideration", Tz. 7; EY, International GAAP 2021, Kap. 42, Tz. 3.2.1.B; Deloitte, iGAAP 2020, Kap. A38, Tz. 5.2.1B-1; vgl. für Beispiele IFRS IC, Staff Paper 9 "Subsequent expenditure on biological assets (IAS 41): Initial Consideration", Tz. 9f.; PwC, Manual of accounting 2021, FAQ 33.21.2). Im Falle einer sofortigen aufwandswirksamen Erfassung würde – bei annahmegemäßer Wertsteigerung – der erhöhte Aufwand durch den erhöhten Ertrag aus der (Neu-)Bewertung am Ende der Berichtsperiode (vgl. Tz. 53) ausgeglichen; bei einer (Nach-)Aktivierung kehrt sich dieser Effekt um (vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, in: Haufe IFRS-Kommentar, 19. Aufl., § 40, Tz. 13). Vor diesem Hintergrund kam das IFRS IC zu dem Schluss, dass eine Vorgabe einer der beiden Abbildungsmöglichkeiten die Finanzberichterstattung nicht angemessen verbessern würde (vgl. IFRIC Update September 2019, o.S.; IFRS IC, Agenda Decision: "Subsequent Expenditure on Biological Assets", o.S.). Folglich hat das Committee entschieden, diese Angelegenheit nicht in sein Arbeitsprogramm aufzunehmen.
Zu beachten ist allerdings, dass die Wahl der bilanzierenden Unternehmen in Bezug auf den Umgang mit nachträglichen Ausgaben den Ausweis der Erfolgswirkungen in der P/L beeinflusst. Durch die differierende bilanzielle Behandlung kann die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit trotz der in IAS 41.50 geforderten Überleitungsrechnung in Bezug auf die Änderungen des Buchwerts der biologischen Vermögenswerte innerhalb einer Berichtsperiode (vgl. Tz. 64b) somit (ggf. erheblich) eingeschränkt werden. Daher sollten Unternehmen uE nachträgliche Ausgaben im Zusammenhang mit biologischen Vermögenswerten in Übereinstimmung mit den Vorschriften anderer Standards, wie bspw. IAS 16 oder IAS 38, berücksichtigen. Dort wäre eine (Nach-)Aktivierung nur zulässig, sofern durch diese Ausgaben der künftige wirtschaftliche Nutzen des Vermögenswerts erhöht wird. Ausgaben, die lediglich zum Erhalt des wirtschaftlichen Nutzens beitragen, würden mithin aufwandswirksam erfasst (IAS 16.10 und 16.12; IAS 38.18 und 38.20; glA EY, International GAAP 2021, Kap. 42, Tz. 3.2.1.B).