Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 62
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wenn ein originärer Marktwert für das Bewertungsobjekt vorliegt, reicht idR die Anwendung einer Bewertungsmethode. Häufig ist indes nicht sofort ersichtlich, welche Bewertungsmethode die geeignetste ist. Sofern kein direkt beobachtbarer Marktpreis vorliegt und mehrere Bewertungsmethoden für eine Fair-Value-Ermittlung in Betracht kommen, die zu einer Einstufung auf derselben Ebene der Fair-Value-Hierarchie führen, wären grundsätzlich sämtliche Bewertungen durchzuführen. Dies führt automatisch zu einer Bandbreite möglicher Wertausprägungen für den zu ermittelnden beizulegenden Zeitwert. Letztendlich ist als Wertansatz diejenige Ausprägung innerhalb der Bandbreite zu wählen, die den beizulegenden Zeitwert am besten repräsentiert (IFRS 13.63). Aufgrund des hohen subjektiven Ermessens des Bilanzierenden bei der Ableitung des Fair Value aus einer Bandbreite sind eine adäquate Dokumentation, Erläuterungen des identifizierten Wertebereichs sowie Informationen über die konkrete Wertfindung erforderlich, um eine möglichst nachprüfbare Wertermittlung zu gewährleisten (vgl. Wieland-Blöse/André, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 13, Tz. 246). Dennoch dürfte die Nachprüfbarkeit des konkreten Wertansatzes auch trotz der erforderlichen Anhangangaben für den Abschlussadressaten oftmals nur eingeschränkt möglich sein (vgl. Kümpel/Oldewurtel/Wolz, PiR 2012, S. 107; Gutsche, IRZ 2015, S. 109). Als Anhaltspunkt kann hierbei mit Blick auf die Marktkonzeption demjenigen Bewertungsverfahren das größte Gewicht beigemessen werden, das im Falle eines Konsenses hauptsächlich im Markt zur Fair-Value-Ermittlung für das Bewertungsobjekt genutzt wird (vgl. Wächter/Christ/Jureit, KoR 2012, S. 546). Besonders im Falle einer mangelnden einheitlichen Praxis sind die Vorzüge und Grenzen der jeweils eingesetzten Verfahren bei der Entscheidung für einen Wert innerhalb der Bandbreite abzuwägen, wobei zugleich auch die Modellprämissen sowie der mit der Modellanwendung verbundene Anpassungsbedarf zur Abbildung der objektspezifischen Charakteristika in die Analyse einzubeziehen sind (vgl. Christian, PiR 2012, S. 321). Zudem stellt der IASB in IFRS 13.88 in Bezug auf Level 3-Inputparameter klar, dass dabei auch das mit einem bestimmten Bewertungsverfahren verbundene Risiko hinsichtlich bekannter Defizite bei der Modellierung (deficiency adjustments) sowie das mit den in das Bewertungsverfahren einfließenden Inputparametern verbundene Risiko, das der Komplexität des zu bewertenden Objektes geschuldet ist (complexity adjustments), zu berücksichtigen sind (vgl. Wächter/Christ/Jureit, KoR 2012, S. 547–552; Sopp, WPg 2016, S. 1235).
Tz. 63
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Ein für das bilanzierende Unternehmen eindeutiges und schlüssiges Konzept zur Auswahl einer sinnvollen bzw. angemessenen Bewertungsmethode lässt sich hieraus insgesamt nicht ableiten (vgl. Gutsche, IRZ 2015, S. 109). Lediglich in den Illustrative Examples gibt der IASB Hinweise, wie bei der Entscheidung zwischen verschiedenen Bewertungsmethoden vorzugehen ist. So wird der Entscheidungsprozess am Beispiel einer im Rahmen eines Unternehmenszusammenschlusses erworbenen Maschine deutlich gemacht (IFRS 13.IE11–14): Aufgrund fehlender, zurechenbarer Cashflow-Ströme und fehlender, vergleichbarer Leasing-Raten werden keine Ausprägungen des Income Approach betrachtet. Mithin verbleiben die Methoden des Market Approach und des Cost Approach. Bei Anwendung des Market Approach werden im Beispiel die Werte vergleichbarer Maschinen hinzugezogen und an den Zustand und die Lage der Maschine angepasst. Im Rahmen des Cost Approach werden die Kosten für die Wiederbeschaffung eines Substituts mit vergleichbarem Nutzen zugrunde gelegt. Bei beiden Bewertungsmethoden werden Bandbreiten möglicher beizulegender Zeitwerte ermittelt. Für eine Entscheidung, den beizulegenden Zeitwert am oberen Rand der verschiedenen Werte des Market Approach zu wählen, werden in diesem spezifischen Beispiel vom IASB folgende Argumente berücksichtigt: Zunächst seien hier weniger subjektive Anpassungen als beim Cost Approach erforderlich. Außerdem ist die Bandbreite potenzieller beizulegender Zeitwerte in diesem Beispiel beim Market Approach geringer, was ebenfalls für diesen spricht. Zudem lassen sich die Unterschiede zwischen der zu bewertenden Maschine und den Vergleichsmaschinen gemäß des Sachverhalts hinreichend erklären. Die Wahl eines Wertes am oberen Ende der Bandbreite der beizulegenden Zeitwerte ist darauf zurückzuführen, dass in diesem Bereich die Mehrzahl der relevanten Datenpunkte liegt. Der Cost Approach wäre hingegen möglicherweise dann dem Market Approach vorzuziehen, wenn die Anpassung der Maschine an die kundenspezifischen Bedürfnisse des Unternehmens besonders hoch gewesen wäre. In diesem Fall wäre ein Multiplikatoransatz mit einer hohen Subjektivität verbunden, sodass die Bandbreite möglicher Werte besonders groß ausfallen kann und die konkrete Wertfindung in gesteigertem Maße vom Ermesse...