Prof. Dr. Isabel von Keitz, Prof. Dr. Peter Wollmert
Tz. 21
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Eine Eventualverbindlichkeit (contingent liability) liegt vor, wenn eine Verpflichtung besteht, für die aber mindestens eines der Definitionsmerkmale für Rückstellungen oder mindestens eines der Ansatzkriterien für Rückstellungen oder für sonstige Schulden nicht erfüllt ist. So wird in IAS 37.10 eine Eventualverbindlichkeit definiert als:
- mögliche Verpflichtung, die zwar aus vergangenen Ereignissen resultiert, deren Existenz aber durch das Eintreten oder Nichteintreten von einem oder mehreren unsicheren künftigen Ereignissen noch bestätigt werden muss, die nicht vollständig innerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen, oder
eine gegenwärtige Verpflichtung, die durch vergangene Ereignisse begründet wird, jedoch nicht passiviert wurde, weil
(a) |
der Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen zur Erfüllung dieser Verpflichtung nicht hinreichend wahrscheinlich ist oder |
(b) |
die Höhe der Verpflichtung nicht hinreichend zuverlässig geschätzt werden kann. |
Tz. 22
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Im ersten Fall ist das Definitionsmerkmal respektive Ansatzkriterium "gegenwärtige Verpflichtung" nicht erfüllt. Zwar resultiert die mögliche Verpflichtung aus vergangenen Ereignissen, diese Ereignisse waren aber nicht verpflichtend iSd. IAS 37.10. Vielmehr muss die Verpflichtung erst noch durch künftige Ereignisse bestätigt werden, deren Eintritt oder Nichteintritt nicht durch das Unternehmen selbst kontrollierbar ist (zur ausführlichen Interpretation des Ansatzkriteriums "gegenwärtige Verpflichtung" vgl. Tz. 37 ff.).
In den unter zweitens aufgeführten Fällen liegt zwar eine Schuld iSd. IAS 37.10 vor, aber die Ansatzkriterien für Rückstellungen (iSd. IAS 37.14) sowie den sonstigen Schulden (F.4.4 (2010)) sind nicht erfüllt. Gemäß 2 (a) liegt zwar eine gegenwärtige Verpflichtung vor, dennoch ist es nicht wahrscheinlich, dass diese Verpflichtung durch den Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen erfüllt wird (ausführlich hierzu vgl. Tz. 57 ff.). Gemäß 2 (b) ist die Bewertbarkeit nicht hinreichend zuverlässig gegeben (ausführlich vgl. hierzu Tz. 61).
Tz. 23
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Aufgrund der genannten drei Merkmale für Eventualverbindlichkeiten sind diese per Definition in Abgrenzung zu den Rückstellungen nicht passivierungsfähig. Vielmehr stellen sie gegenwärtige oder mögliche Verpflichtungen dar, die die Ansatzkriterien für Rückstellungen nicht erfüllen, aber ggf. angabepflichtig sind (zur bilanziellen Behandlung von Eventualverbindlichkeiten und zur Abgrenzung von nicht angabepflichtigen Schulden vgl. Tz. 62 ff.).