Dr. Stefan Bischof, Dr. Sonja Harms
Tz. 74k
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Eine weitere Ausnahme von der grundsätzlichen Forderung, dass andere IFRS retrospektiv anzuwenden sind, betrifft die Bilanzierung von Darlehen der öffentlichen Hand.
IFRS 1.B10–B12 beschreiben, wie IFRS-Erstanwender Zuwendungen der öffentlichen Hand in Form von niedrigverzinslichen Darlehen bilanzieren müssen, dh. wie ein erstmaliger IFRS-Anwender Darlehen der öffentlichen Hand, die zu einem unter dem Marktzins liegenden Zins ausgereicht wurden, im Zeitpunkt des Übergangs auf die IFRS zu bilanzieren hat. Nach IAS 20.10A wären solche Darlehen zum Einbuchungszeitpunkt mit dem beizulegenden Zeitwert zu bewerten mit dem Effekt, dass der Vorteil eines öffentlichen Darlehens zu einem unter dem Marktzins liegenden Zinssatz wie eine Zuwendung der öffentlichen Hand behandelt wird.
Tz. 74l
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Ein IFRS-Erstanwender hat nach IFRS 1.B10 in Übereinstimmung mit IAS 32 ein Darlehen der öffentlichen Hand als finanzielle Verbindlichkeit oder als Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren. Außer wie in IFRS 1.B11 erlaubt, sind die Regelungen des IFRS 9 und des IAS 20.10A prospektiv auf zum Übergangszeitpunkt bestehende Darlehen der öffentlichen Hand anzuwenden. Die Erleichterung nach IFRS 1.B10 besteht für IFRS-Erstanwender darin, dass diese Darlehen im Übergangszeitpunkt mit dem nach den vorherigen Rechnungslegungsgrundsätzen ermittelten Wert anzusetzen sind, auch wenn das nationale Recht nicht mit den IFRS übereinstimmt, etwa weil ein etwaiger Zinsvorteil nicht separat erfasst wurde. Somit ist nach IFRS 1.B10 der Buchwert des Darlehens der öffentlichen Hand zum Übergangszeitpunkt zu übernehmen und der Zinsvorteil aus einem niedrigverzinslichen Darlehen ist nicht als Zuwendung der öffentlichen Hand nach den Regelungen in IAS 20 zu erfassen. Anders gewendet, ist damit die Regelung des IAS 20.10A erst für nach dem Übergangszeitpunkt erhaltene Darlehen der öffentlichen Hand anzuwenden.
Tz. 74m
Stand: EL 42 – ET: 11/2020
Die Bewertungsvorschriften des IFRS 9 für niedrig verzinsliche Darlehen der öffentlichen Hand gelten – ausgehend vom angesetzten Buchwert – erst ab dem Übergangszeitpunkt. Unternehmen wird indes durch IFRS 1.B11 erlaubt, die Vorschriften des IFRS 9 und des IAS 20 retrospektiv auf jedes Darlehen der öffentlichen Hand anzuwenden, vorausgesetzt die hierfür erforderlichen Informationen waren bereits bei Erstansatz dieses Darlehens eingeholt worden (zur Anwendung von IAS 20.10A vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 20, Tz. 81). Diese Möglichkeit kann für jedes Darlehen einzeln ausgeübt werden. Im Übrigen schließt IFRS 1.B11 nicht die Anwendung der optionalen Ausnahmevorschriften zur Designation bereits erfasster Finanzinstrumente als aufwands- oder ertragswirksam zum beizulegenden Zeitwert nach IFRS 1.D19–D19D aus (IFRS 1.B12; vgl. Tz. 205ff).