Dr. Stefan M. Schreiber, Prof. Dr. Dirk Simons
Tz. 7
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
IFRS 2 widmet sich der Bilanzierung aller Transaktionen, bei denen die Gegenleistung in der Abgabe von Unternehmensanteilen oder Optionen auf Unternehmensanteile besteht. Zudem unterliegen auch Transaktionen, für die als Gegenleistung Zahlungen, die auf dem Unternehmenswert basieren, entrichtet werden, dem Anwendungsbereich des Standards. Somit bezieht sich der Regelungsgehalt auf sämtliche anteilsbasierte Vergütungsformen, bei denen das Unternehmen bzw. der Konzern (entity) Gegenleistungen für erhaltene oder erworbene Güter oder Dienstleistungen (goods or services received or acquired) erbringt, die wertmäßig am Eigenkapital des Unternehmens orientiert sind. Er beschränkt sich demnach nicht nur auf die Leistung anteilsbasierter Vergütungsformen an (leitende) Mitarbeiter, auch wenn dieser Fall in der Bilanzierungspraxis zweifellos im Vordergrund steht. Als erhaltene oder erworbene Güter, für welche die anteilsbasierte Vergütung geleistet wird, kommen sowohl Vorräte, Verbrauchsgüter und Grundstücke als auch immaterielle Vermögenswerte und andere nicht finanzielle Vermögenswerte (other non-financial assets) in Betracht (IFRS 2.5; vgl. auch EY, International GAAP 2022, Kap. 29, Abschn. 2.2.2 am Anfang).
Tz. 7a
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Gewährt ein Unternehmen im Rahmen einer anteilsbasierten Vergütungsvereinbarung keine Anteile, sondern Barmittel, erfordert die Beantwortung der Frage, ob die vom Unternehmen als Gegenleistung gewährten Zahlungen auf dem Unternehmenswert basieren, in verschiedenen Fällen eine genaue Analyse. Ist bspw. die Zahlung durch ein nicht an einer Börse gelistetes Unternehmen an einen spezifizierten EBITDA-Multiplikator geknüpft, so handelt es sich ungeachtet der etwaigen Bezeichnung des sich hieraus ergebenden Betrags in der zugrunde liegenden Vereinbarung als "Anteilswert" oder "Unternehmenswert" nicht um eine in den Anwendungsbereich von IFRS 2 fallende Transaktion, da ein derartiger Multiplikator regelmäßig nur einen der Inputfaktoren darstellt, die den beizulegenden Zeitwert von Unternehmensanteilen determinieren (vgl. Deloitte, iGAAP 2022, Kap. A16, Abschn. 2.3 mit weiteren Beispielen). Eine solche Vereinbarung wäre vielmehr nach IAS 19 zu bilanzieren.
Tz. 8
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Der Anwendung des IFRS 2 steht es nicht entgegen, wenn sich die erhaltenen Güter oder Dienstleistungen nicht oder zumindest nicht vollständig identifizieren lassen (IFRS 2.2). Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn einer gemeinnützigen Institution Eigenkapitalinstrumente gewährt werden, ohne dass hierfür eine (angemessene) Gegenleistung verlangt wird (vgl. Schreiber, KoR 2006, S. 303 sowie weiterführend Deloitte, iGAAP 2022, Kap. A16, Abschn. 2.8). Den konkreten Anlass dieser Normierung bildeten die sog. "Black Economic Empowerment Schemes" (BEE) in der Republik Südafrika, durch welche die Teilhabe der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit am südafrikanischen Wirtschaftsleben gefördert werden soll (vgl. Schreiber, KoR 2006, S. 302f.). Nicht identifizierbare Güter oder Dienstleistungen sind zB die durch eine solche Anteilsgewährung erhoffte Imageverbesserung oder – speziell bei der Teilnahme an BEE – die Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Bei einem bestehenden Ungleichgewicht zwischen dem beizulegenden Zeitwert der identifizierbaren Güter oder Dienstleistungen und dem beizulegenden Zeitwert der gewährten Eigenkapitalinstrumente ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses Ungleichgewicht durch den Erhalt nicht identifizierbarer Güter oder Dienstleistungen ausgeglichen wird. Nur in Ausnahmefällen, in denen das Unternehmen belegen kann, dass es tatsächlich keine Vorteile aus der Gewährung zieht, kommt IFRS 2 nicht zur Anwendung (vgl. auch Schreiber, KoR 2006, S. 303). Es dürfte indes schwierig sein, hierfür Praxisbeispiele zu finden. IFRS 2.BC18D deutet in einer Fußnote an, dass Anteilsübertragungen aus offenkundig familiären Motiven zu denjenigen Anwendungsfällen gehören, die nicht unter IFRS 2 fallen. IFRS 2 geht jedenfalls von der prinzipiellen Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung aus (vgl. DRSC, KoR 2006, S. 330).
Tz. 9
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Kann die Ausgeglichenheitsvermutung nicht widerlegt werden, wird der Wert der nicht identifizierbaren Güter oder Dienstleistungen durch die Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen den beizulegenden Zeitwerten der identifizierbaren Güter und Dienstleistungen und dem beizulegenden Zeitwert der gewährten Eigenkapitalinstrumente bestimmt (IFRS 2.13A). Die in IFRS 2.13 enthaltene widerlegbare Vermutung, die von Dritten (Nicht-Arbeitnehmern) erhaltene Gegenleistung könne (direkt) bewertet werden (dazu ausführlich vgl. Tz. 53f.), bezieht sich nur auf identifizierbare Güter oder Dienstleistungen, steht also nicht im Gegensatz dazu (IFRS 2.BC128D).
Tz. 10
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Inwieweit ein Geschäftsvorfall eingehend daraufhin zu untersuchen ist, ob ein Ungleichgewicht besteht, l...