Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 1
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Mit der Veröffentlichung der VO (EG) 1606/2002 sind kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet, seit dem 1. Januar 2005 ihren Konzernabschluss nach denjenigen IFRS-Regeln zu erstellen, die zuvor ein entsprechendes EU Endorsement durchlaufen haben. Das IFRS-Regelwerk enthielt jedoch bis 2020 keine verbindlich anzuwendenden abschließenden Vorschriften zum Ansatz und zur Bewertung von Versicherungsverträgen. Nach mehr als 20 Jahren intensiver Diskussionen und Beratungen über einen umfassenden internationalen Rechnungslegungsstandard für die Bilanzierung von Versicherungsverträgen, ist IFRS 17 Insurance Contracts im November 2021 in das europäische Recht übernommen worden und am 1. Januar 2023 in Kraft getreten.
Tz. 2
Stand: EL 54– ET: 10/2024
IFRS 17 ging ein langer Standardentwicklungsprozess voraus, welcher bereits im April 1997 vom Vorgänger des IASB, dem IASC, gestartet und 2002 in Phase I und Phase II unterteilt wurde. Die Phase I wurde im März 2004 mit der Veröffentlichung des IFRS 4 abgeschlossen, der ab 1. Januar 2005 anzuwenden war (IFRS 4.41).
Tz. 3
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Bis zum Jahr 2004 enthielt das IFRS-Regelwerk keinerlei Vorschriften für die Bilanzierung von Versicherungsverträgen bzw. daraus resultierenden versicherungstechnischen Verpflichtungen. Gemäß IAS 8.10 haben Unternehmen bei Regelungslücken Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden zu entwickeln bzw. anzuwenden, mit denen erreicht wird, dass die Abschlussinformationen die im Framework festgelegten Anforderungen erfüllen. Hierzu kann das Management nach IAS 8.12 auch auf Standards anderer Standardsetter zurückgreifen, die ein dem Framework vergleichbares Rahmenkonzept haben. Die Versicherer, die bereits vor 2005 IFRS-Anwender waren, griffen in Ermangelung konkreter Vorschriften für die Bilanzierung von versicherungstechnischen Rückstellungen daher häufig auf die branchenspezifischen Regelungen in den US-GAAP zurück. Hierzu gehörten:
- SFAS 60: Accounting and Reporting by Insurance Enterprises;
- SFAS 97: Accounting and Reporting by Insurance Enterprises for Certain Long-Duration Contracts;
- SFAS 120: Accounting and Reporting by Mutual Life Insurance Enterprises and by Insurance Enterprises for Certain Long-Duration Participating Contracts.
Tz. 4
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Mit der Veröffentlichung des IFRS 4 Insurance Contracts schloss der IASB zwar eine grundsätzliche Regelungslücke (vgl. IFRS 4.BC2(a)), der Standard war jedoch in Ermangelung konkreter Bewertungsregelungen von vorneherein lediglich als Übergangsregelung konzipiert (IFRS4.IN1(a)).
Da im Jahr 2002 bedingt durch die IAS-Verordnung ein gewisser Zeitdruck entstanden war, die IFRS-Regelungslücke für die Rechnungslegung von Versicherungsverträgen zu schließen, die bisher entwickelten Regelungen aber noch nicht die Qualität endgültiger IFRS-Regeln erreicht hatten, entschied der IASB, das Projekt zur Entwicklung eines Standards für Versicherungsverträge in zwei Phasen aufzuteilen. Am 31. März 2004 veröffentlichte er als Ergebnis der Phase I den IFRS 4 Insurance Contracts.