Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 291
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Für eine Designation als Grundgeschäft im Rahmen der Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen kommt den Vorgaben des IASB folgend eine ganze Reihe möglicher Geschäftsvorfälle in Frage. Für eine Anerkennung qualifizieren sich danach (vgl. IFRS 9.6.3.1):
- ein einzelner bilanzierter Vermögenswert resp. eine einzelne bilanzierte Schuld (dabei muss es sich nicht zwingend um Finanzinstrumente handeln; s. aber Tz. 292 im Hinblick auf Grundgeschäfte, die mit Absicht gehalten werden, vertragliche Zahlungsströme zu vereinnahmen);
- ein bislang nicht bilanziertes schwebendes Liefer- und Leistungsgeschäft, also ein beidseitig unerfüllter Vertrag mit gleichwohl festen Verpflichtungen für beide Vertragspartner;
- ein erwartetes und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eintretendes Geschäft mit fremden Dritten wie die geplante Emission einer Festzinsanleihe oder die Absicherung zukünftig erwarteter Fremdwährungsumsätze mit Endkunden (vgl. IFRS 9.6.3.3 und 6.3.5; vgl. auch Tz. 298f.); sowie
- eine Nettoinvestition in einen ausländischen Teilbetrieb (vgl. dazu insbesondere IFRIC 16 Hedges of a Net Investment in a Foreign Operation).
Neben Einzelgeschäften können daneben auch Aggregate ("a group of items"; vgl. Tz. 293ff.) oder Teile ("a component"; vgl. Tz. 300ff.) eines einzelnen Geschäfts resp. Aggregats Gegenstand einer Absicherung sein. In jedem Fall muss das Grundgeschäft zuverlässig zu bewerten sein (vgl. IFRS 9.6.3.2).
Tz. 292
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Im Hinblick auf die Absicherung gehaltener resp. ausgereichter Finanzinstrumente ist eine Wechselwirkung mit den Regelungen zur Klassifizierung und Bewertung finanzieller Vermögenswerte zu beachten. Von Bedeutung ist insbesondere die Kategorie "Halten zwecks Vereinnahmung vertraglicher Zahlungsströme", bei der Geschäfte bekanntlich zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden. Da bei einer der zwei Alternativen der Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen, nämlich dem Fair Value Hedge Accounting, der Bewertungsmaßstab des Grundgeschäfts überschrieben und durch eine risikoinduzierte Teilbewertung ersetzt wird, stellte sich die Frage, ob dadurch nicht faktisch Wertänderungen teilrealisiert werden – so, wie das bei der Kategorie "Halten und Veräußern" der Fall ist (vgl. IFRS 9.BC6.154). Der IASB erläutert in der Beschlussgrundlage, dass er sich verschiedene Situationen angesehen und letzten Endes gegen ein mögliches Verbot derart klassifizierter Grundgeschäfte entschieden habe. Beispielhaft verweist er auf eine Situation, bei der ein Unternehmen eine variabel verzinsliche Anlage zu erwerben sucht, diese aber mangels Verfügbarkeit durch eine festverzinsliche Investition bei gleichzeitigem Abschluss eines Payer Swaps repliziert und so das gewünschte Zahlungsprofil erzielt. Der Board führt dazu aus: "[T]his and other examples demonstrated that what is a fair value hedge for accounting purposes is, from a risk management perspective, often a choice between receiving (or paying) fixed versus variable interest cash flows, instead of a strategy to protect against fair value changes. Hence, the IASB considered that a fair value hedge of interest rate risk would not in itself contradict the assertion that a financial instrument is held with the objective to collect or pay contractual cash flows" (IFRS 9.BC6.155). Diese Begründung mag nicht recht überzeugen. Zwar ist die Aussage zutreffend, dass Unternehmen nicht zwingend eine Sicht einnehmen, bei der Bestände gegen Wertschwankungen abgesichert, sondern lediglich Zahlungen konvertiert werden sollen; nur hat dies eben mit einer Absicherung wenig zu tun, und genau darum geht es in diesem Abschnitt! Da wirkt die nachgeschobene Beobachtung in der folgenden Textziffer, ein Unternehmen könne auch aus der Haltekategorie Verkäufe tätigen, wenig überzeugend (vgl. IFRS 9.BC6.156) – lässt sie doch kein stringentes Prinzip erkennen: Wenn sich Replizierungen von Anlagen für eine Sicherungsbilanzierung qualifizieren sollen, wozu wird dann der Rekurs auf Teilverkäufe benötigt?
Tz. 293
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Der Standard enthält einen eigenen Abschnitt zur Qualifizierung von Gruppen oder Aggregaten (Abschnitt 6.6). Zwar war es auch unter IAS 39 möglich, mehrere Geschäfte zusammen als Grundgeschäft zu designieren; allerdings stand dies unter dem Vorbehalt, dass alle zusammengefassten Geschäfte dem gleichen Risikofaktor unterliegen und sich wertmäßig proportional entwickeln mussten. Das bedeutet, dass lediglich gleichartige Geschäfte einer Gruppe angehören durften, nicht aber einander kompensierende Geschäfte (sprich: Nettopositionen). Diese Beschränkung wurde mit IFRS 9 zu einem gewissen Maß aufgehoben: Eine Gruppe von Geschäften – und das schließt ausdrücklich eine Nettoposition mit ein – kommt als Grundgeschäft infrage, sofern sie
- aus Geschäften oder Teilen davon bestehen, die für sich betrachtet qualifizierende Grundgeschäfte darstellen und
- auch tatsächlich im betrieblichen Risikomanagement gemeinsam als Gruppe gesteuert w...