Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Ballwieser
Tz. 29
Stand: EL 44 – ET: 06/2021
Ein Unternehmen kann zur Folgebewertung von Vermögenswerten der Sachanlagen entweder die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten heranziehen oder eine Neubewertung vornehmen. Die gewählte Methode ist dann einheitlich auf eine gesamte Gruppe von Vermögenswerten der Sachanlagen anzuwenden (IAS 16.29). Die frühere Differenzierung in eine bevorzugte und eine alternativ mögliche Methode wurde aufgegeben, so dass ein echtes Methodenwahlrecht besteht.
Allerdings dominiert in der Bilanzierungspraxis nach wie vor die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Eine empirische Untersuchung von Geschäftsberichten für das Jahr 2006 bei Unternehmen des DAX, MDAX und SDAX hat ergeben, dass nur zwei Unternehmen die Neubewertungsmethode anwenden (vgl. Müller/Wobbe/Reinke, KoR 2008, S. 637; mit ähnlichem Befund auch von Keitz, 2. Aufl., 2005, S. 59). Aufgrund des Stetigkeitsgebots (IAS 8.14) ist davon auszugehen, dass für aktuelle Geschäftsberichte vergleichbare Ergebnisse resultieren. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch außerhalb Deutschlands. So kommt eine Studie des Institute of Chartered Accountants in England and Wales durch Auswertung der Geschäftsberichte von 200 zufällig ausgewählten Unternehmen in der EU zu dem Ergebnis, dass 191 Unternehmen alle Sachanlagen zu fortgeführten historischen Kosten bewerten. Die übrigen 9 verwenden die Neubewertungsmethode auch nur für einzelne Teile ihrer Sachanlagen, in den meisten Fällen für properties, nicht jedoch für plant and equipment (vgl. Institute of Chartered Accountants in England and Wales 2007, S. 119).
IAS 16 lässt offen, ob und welche Einschränkungen es für den Wechsel zwischen den erlaubten Bewertungsmethoden gibt. Einzelne Comment Letters haben hierzu Festlegungen gewünscht. So stellt das AICPA (zitiert nach IASC, 1993, S. 34) fest:
"We are concerned that the proposed standard would offer a free choice between historical cost and fair value without requiring (1) justification for the selection of a measurement basis or (2) inter-period consistency. We recommend that historical cost be established as the benchmark, with revaluations permitted only if certain clearly defined criteria are met."
Ferner sollte nach Auffassung von The Institute of Chartered Accountants of Zimbabwe (vgl. IASC, 1993, S. 37) von der Neubewertungsmethode kein Wechsel zur Methode der fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten erlaubt sein. Ihnen ist der IASB nicht gefolgt. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass beliebige Bilanzierungs- und Bewertungsmethodenwechsel erlaubt sind. Dies widerspräche dem Stetigkeitsprinzip und den hierzu in IAS 8 getroffenen Regelungen. IAS 8.14 verlangt, dass ein Wechsel der Bilanzierungs- und Bewertungsmethode nur zulässig ist, wenn dies von einem Standard oder einer Interpretation gefordert wird oder wenn sich dadurch die Aussagefähigkeit des Abschlusses verbessern lässt. Siehe hierzu IFRS-Komm., Teil B, IAS 8, Tz. 85ff.