Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 69
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die Klassifizierung "zu Handelszwecken gehalten" wurde unverändert aus IAS 39 in IFRS 9 übernommen. Folgende Finanzinstrumente werden entsprechend klassifiziert:
- Finanzinstrumente, die vorrangig in der Absicht erworben oder eingegangen werden, sie kurzfristig wieder zu veräußern resp. zurückzukaufen (vgl. Tz. 70);
- Finanzinstrumente, die bei Zugang einem Portefeuille eigens benannter und gemeinsam gesteuerter Finanzinstrumente zugeordnet werden, für das in jüngerer Zeit nachweislich Hinweise auf kurzfristige Gewinnmitnahmen bestehen (vgl. Tz. 73); sowie
- derivative Finanzinstrumente mit Ausnahme von Finanzgarantien und von Derivaten, die als Sicherungsinstrument designiert und als solche wirksam sind (vgl. Tz. 74).
Tz. 70
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Beabsichtigt ein Unternehmen, Finanzinstrumente nur vorübergehend zu halten und sich nach kurzer Zeit wieder von ihnen zu trennen, besteht die Motivation zur Durchführung derartiger Geschäfte offenkundig nicht im Halten, sondern im Ausnutzen von kurzfristigen Preis- bzw. Kursunterschieden zwischen An- und Verkauf bzw. Emission und Tilgung oder der Realisierung einer Handelsmarge (vgl. IFRS 9.B4.1.5). Der IASB geht dabei davon aus, dass die Tätigkeit aktiv und häufig ausgeübt wird; jedoch dürfte auch bei nur gelegentlicher Handelstätigkeit die dahinterstehende Margenerzielungsabsicht nicht zu verneinen sein, so dass eine entsprechende Klassifizierung auch in diesen Fällen sachgerecht erscheint. Maßgeblich ist in jedem Fall die Situation zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses. Die Handelsabsicht überlagert allerdings andere Mussvorschriften im Regelwerk der IFRS: So wurde dem IFRS Interpretations Committee die Frage zur Klärung überreicht, ob eigene Aktien, die zu Handelszwecken gehalten würden, auch dieser Bewertungskategorie zuzuordnen wären. Das IFRS Interpretations Committee stellte fest, dass eigene Anteile nach SIC-16.6 (heute IAS 32.33) ohne Ausnahme vom Eigenkapital des Emittenten in Abzug zu bringen seien und sie entsprechend nicht als zu Handelszwecken klassifiziert werden könnten (vgl. IFRIC Update August 2002, S. 3; zur Regelung selbst vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 32, Tz. 89f.).
Tz. 71
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Finanzielle Verbindlichkeiten, die zu Handelszwecken gehalten werden, sind eng abzugrenzen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass man zwar mit Vermögen, dem Grunde nach aber nicht mit Schulden handeln kann – man geht sie ein und bedient sie. Im Gegensatz zu Vermögenswerten können Schulden nicht ohne weiteres übertragen werden: Eine Übertragung auf einen anderen Schuldner bedarf zwingend der Zustimmung des Gläubigers. Ein derartiges Einverständnis ist bei Vermögenswerten nicht vonnöten, weshalb sich die Handelsabsicht hier auch leichter realisieren lässt. Dies kann rein sachlogisch bei Verbindlichkeiten nur in einem sehr begrenzten Rahmen der Fall sein, nämlich bei Leerverkäufen (Short Sales) und bei Derivaten, die nicht als Sicherungsinstrument designiert wurden (vgl. dazu Tz. 74). Bei Leerverkäufen verkauft ein Unternehmen etwas, was es gar nicht besitzt; es muss sich also eindecken. Dabei spekuliert das Unternehmen darauf, dass der Wiedereindeckungspreis unter dem Preis liegt, zu dem es den Posten an die Vertragspartei veräußert hat. Hier liegt die Margenerzielungsabsicht offenkundig vor. Alle anderen finanziellen Verbindlichkeiten hingegen mögen Handelsaktivitäten zwar finanzieren; das macht aus ihnen aber selbst keine Handelspassiva (vgl. IFRS 9.BA.7f.).
Tz. 72
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Was im Einzelnen unter "kurzfristig" zu verstehen ist, lässt der IASB offen. Es kann allerdings ausgeschlossen werden, dass das Kriterium der Kurzfristigkeit analog IAS 1 als "innerhalb eines Jahres" zu interpretieren ist, weil eine derartige Interpretation schlicht dem Charakter der meisten Handels- bzw. Arbitragegeschäfte nicht entspräche. Im Kontext von Handelsgeschäften ist kurzfristig eher eine Sache von Stunden oder Tagen als von Monaten oder Jahren (aA offensichtlich Kuhn/Scharpf 2006, die die Auslegung des Begriffs "von den tatsächlichen Handelsaktivitäten und der individuellen Handelsphilosophie im Einzelfall" abhängig machen wollen, vgl. Tz. 397; dieser Sichtweise wird hier nicht gefolgt). Das bedeutet allerdings nicht, dass ein Vermögenswert, der in der Vergangenheit als zu Handelszwecken gehalten deklariert wurde, nicht länger diesem Bestand zugehörig sein kann (weil bspw. ein vorteilhafter Absatz/Rückkauf gegenwärtig nicht möglich ist; s. a. IFRS 9.IG.B.11) – maßgeblich für die Klassifizierung als zu Handelszwecken gehalten ist ausschließlich die Handelsabsicht des Unternehmens zum Erwerbszeitpunkt (vgl. Deloitte LLP 2018, S. 108).
Tz. 73
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die Handelsabsicht muss nicht für das einzelne Instrument nachgewiesen werden, es reicht die Zuordnung zu einem Portefeuille, das regelmäßig zwecks Realisierung einer Handelsmarge umgeschlagen wird. Der IASB weist selbst darauf hin, dass er den Terminus "Portfolio"...