Tz. 95

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Bei retrospektiver Anwendung sind die dargestellten Vorjahresperioden so darzustellen, als ob die neue Bilanzierungs- und Bewertungsmethode schon immer angewendet worden wäre. Dies bedeutet, dass nicht nur die Abschlüsse für volle einjährige Perioden, sondern auch etwaige Zwischenberichte der jeweiligen Perioden anzupassen sind (vgl. IAS 34.43).

 

Tz. 96

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Eine zeitliche Begrenzung für die retrospektive Ermittlung der Effekte aus der Änderung von Bilanzierungs- oder Bewertungsmethoden ist in IAS 8 grundsätzlich nicht vorgesehen. Nur in den Fällen, in denen eine retrospektive Anwendung nicht durchführbar ist, sieht IAS 8 Sonderregelungen vor (vgl. hierzu Tz. 103ff.). Die Änderung ist daher so abzubilden, als ob die geänderte Methode für alle betroffenen Geschäftsvorfälle bzw. Sachverhalte vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an angewendet worden wäre, selbst wenn der maßgebliche Entstehungszeitpunkt eine Vielzahl von Jahren zurückliegt. Eine Begrenzung des einzubeziehenden Zeitraumes kann daher allenfalls aus dem Wesentlichkeitsgrundsatz heraus gerechtfertigt werden, sofern die retrospektive Anwendung durchführbar ist (vgl. ADS Int 2002, Abschn. 3, Tz. 68).

 

Tz. 97

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Die Berichtigung von Vergleichszahlen führt nach IAS 8 nicht zur Änderung von Abschlüssen, die von den Aktionären festgestellt, bei einem Register hinterlegt oder bei einer Aufsichtsbehörde eingereicht worden sind. Insoweit kann aber das nationale Recht die Änderung dieser Abschlüsse verlangen. Eine solche Verpflichtung besteht nach deutschem Recht grundsätzlich nicht. Handelsrechtlich ist es aber zulässig, frühere Abschlüsse unter Beachtung der Vorschriften über deren Feststellung und Billigung durch die Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung zu ändern.

 

Tz. 98

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

(einstweilen frei)

 

Tz. 99

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Die retrospektive Anwendung impliziert, dass sämtliche Vorperioden, die durch einen Sachverhalt betroffen sind, dessen Bilanzierungs- und Bewertungsmethode geändert wird, anzupassen sind (zu Ausnahmen bei praktischer Undurchführbarkeit vgl. Tz. 103ff.). Hierbei ist wie folgt zu unterscheiden:

(1) Anpassungen in früheren Perioden, die nicht mehr im Abschluss dargestellt werden, führen zu Anpassungen in den Eröffnungsbilanzwerten der frühesten im Abschluss dargestellten Periode. Die Gegenbuchung erfolgt in den Eröffnungsbilanzwerten im Eigenkapital. Die rückwirkenden Änderungen sind gem. IAS 1.100 in den Gewinnrücklagen auszuweisen, es sei denn, ein anderer Standard oder eine andere Interpretation schreibt die Anpassung in einem anderen Eigenkapitalposten (zB Cash Flow Hedge-Rücklage, Neubewertungsrücklage oder Rücklage für Währungsumrechnungsdifferenzen) zwingend vor. Die in IAS 1.100 enthaltenen Vorschriften zum Ausweis konkretisieren in diesem Fall die allgemeine Vorschrift in IAS 8.26. Zu Angabepflichten vgl. Tz. 108ff.
(2) Anpassungen in früheren Perioden, die im Abschluss dargestellt werden (Vergleichsangaben), führen zu Anpassungen in den jeweiligen Positionen. Hierbei können sich auch GuV-wirksame Anpassungen in den jeweiligen Perioden ergeben.
(3) Zusätzlich fordert IAS 1.10 (f) iVm. IAS 1.39 im Falle der rückwirkenden Anwendung einer Rechnungslegungsmethode grundsätzlich eine Bilanz zu Beginn der frühesten Vergleichsperiode, die sogenannte Dritte Bilanz. Drei Bilanzen ergeben sich aus (1) der Bilanz für die Berichtsperiode, (2) der Bilanz für die Vergleichsperiode sowie (3) eine Eröffnungsbilanz für die Vergleichsperiode. Ergänzend sind gem. IAS 1.39 zwei Fassungen von jedem anderen Abschlussbestandteil und die korrespondierenden Anhangangaben im Abschluss darzustellen. IAS 1.10 (f) und IAS 1.39 differenzieren nicht nach der Ursache für die Änderung der Rechnungslegungsmethode; die Dritte Bilanz und die dazugehörigen Angabepflichten müssen somit sowohl bei einer freiwilligen Änderung als auch bei einer Änderung durch einen neuen bzw. geänderten Standard dargestellt werden.
 

Tz. 100

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Es ist darüber hinaus zu beachten, dass die retrospektive Änderung einer Bilanzierungs- und Bewertungsmethode in der Regel mittelbare Folgewirkungen nach sich zieht. Ergeben sich Anpassungen in den Bilanzpositionen, führt dies regelmäßig auch zu Anpassungsbedarf bei den latenten Steuern, da sich die temporären Differenzen zwischen IFRS- und Steuerbilanz ändern (IAS 8.4). Denkbar ist auch Anpassungsbedarf bei der Ermittlung der Herstellungskosten, wenn sich die Änderungen zB auf zurechenbare Kosten gem. IAS 2.11 auswirken. Häufig wird die Ermittlung derartiger indirekter Effekte aber nicht durchführbar sein. Würde man die Erfassung derartiger Effekte zwingend fordern, würde daher die vorgesehene retrospektive Anpassung nur im Ausnahmefall anwendbar sein. Daher erscheint es sachgerecht, die retrospektive Anpassung unmittelbarer Effekte auch in den Fällen zu fordern, in denen die mittelbaren Effekte nicht ermittelt werden können. Eine prinz...

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