Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 381
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Erfolgt die Veräußerung in mehreren Schritten, sind die Transaktionen entsprechend dem Grundsatz der Einzelbewertung grundsätzlich einzeln zu behandeln. Ein Gewinn oder Verlust aus der Endkonsolidierung ist nach IFRS 10 nur dann zu realisieren, wenn die Beherrschung über ein Tochterunternehmen verloren wird (IFRS 10.25 (c)). Nachdem sich der IASB in der zweiten Phase seines Projekts Business Combinations allerdings ausführlich mit dem Thema der Veräußerung von Anteilen an Tochterunternehmen beschäftigt hat, enthält IFRS 10 eine explizite Ausnahme von diesem Grundsatz (vgl. Tz. 368).
Tz. 382
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Nach dem Willen des IASB sind mehrere (Veräußerungs-)Transaktionen zwingend als eine Transaktion zu behandeln, wenn bestimmte Umstände andeuten, dass es sich bei der Transaktion nur um eine (Teil-)Transaktion eines Arrangements handelt (sog. linked transactions). Bei der Beurteilung sind alle Bedingungen und Konditionen zu berücksichtigen (IFRS 10.BCZ188). Mögliche Indikatoren sind (IFRS 10.B97) folgende:
- Die Transaktionen sind zur selben Zeit vom Unternehmen eingegangen worden oder stehen in einem Zusammenhang zueinander.
- Die Transaktionen sind Teil eines Arrangements, das ein einzelnes, übergeordnetes wirtschaftliches Ziel verfolgt.
- Das Eintreten einer Transaktion oder eines Arrangements ist abhängig von dem Eintreten einer oder mehrerer anderer Transaktionen oder Arrangements.
- Eine oder mehrere der Transaktionen oder Arrangements sind für sich betrachtet wirtschaftlich nicht nachvollziehbar, gemeinsam betrachtet sind die Transaktionen oder Arrangements aber wirtschaftlich zu erklären.
Tz. 383
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Ziel dieser Regelung ist es, zu gewährleisten, dass Veräußerungen von Beteiligungen entsprechend ihrem wirtschaftlichen Gehalt abgebildet werden und nicht ausschließlich nach den rechtlichen Gegebenheiten. Transaktionen, die nicht zu einem Verlust der Beherrschung führen, sind erfolgsneutral zu bilanzieren, Transaktionen mit Verlust der Beherrschung dagegen erfolgswirksam zu bilanzieren (vgl. Tz. 368 f.).
Tz. 384
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Beispielsweise könnte ein Unternehmen, das ein anderes Unternehmen, an dem es eine Beteiligung in Höhe von 70 % hält, in zwei Tranchen à 19 und 51 % veräußern. Nach der Veräußerung der ersten Tranche verfügt das Mutterunternehmen immer noch über die Mehrheit der Stimmrechte und damit über den Anspruch zur Beherrschung des Tochterunternehmens. Das Tochterunternehmen ist weiterhin voll zu konsolidieren. Die Transaktion ist gem. IFRS 10 erfolgsneutral als Umbuchung im Eigenkapital zu erfassen (vgl. Tz. 391 ff.). Mit der vollständigen Veräußerung des Tochterunternehmens in der zweiten Tranche verliert das Mutterunternehmen die Beherrschung über das Tochterunternehmen. Das Tochterunternehmen ist erfolgswirksam zu endkonsolidieren (vgl. Tz. 355). Das Endkonsolidierungsergebnis ist erfolgswirksam auszuweisen. Wird das Tochterunternehmen hingegen in einer Tranche veräußert, so ist das entstehende Ergebnis vollständig erfolgswirksam zu zeigen. Das erfolgswirksame Ergebnis des Verlusts der Beherrschung über das Tochterunternehmen unterscheidet sich in den beiden Fällen, obwohl wirtschaftlich dieselbe Intention vorliegt, nämlich die vollständige Veräußerung des Tochterunternehmens. Die Veräußerung ist nun in einem Schritt, und damit vollständig erfolgswirksam, zu bilanzieren (IFRS 10.BCZ185).
Tz. 385
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 enthält allerdings keine Regelungen, wie mehrere Transaktionen in diesen Fällen zu bilanzieren sind. Insbesondere in Konstellationen, in denen die Transaktionen sowohl vor als auch nach dem Bilanzstichtag liegen, stellt sich die Frage der Bilanzierung. Hierzu eine Abwandlung zum og. Beispiel (vgl. Tz. 384):
Beispiel:
19 % einer Beteiligung an einem Unternehmen von insgesamt 70 % werden vor dem Bilanzstichtag, 51 % kurz nach dem Bilanzstichtag (vor Verabschiedung des Abschlusses) veräußert. Das zugrunde liegende Reinvermögen des Tochterunternehmens ist annahmegemäß nicht wertgemindert, da der Veräußerungspreis über dem Wert des Anteils des Mutterunternehmens am Reinvermögen des Tochterunternehmens liegt. In diesem Fall sind, wie vom IASB gefordert, sämtliche Bedingungen und Konditionen zu berücksichtigen. Entsprechend der wirtschaftlichen Betrachtungsweise richtet sich die Bilanzierung in diesen Fall danach, wann die Beherrschung verloren wird. Sofern zum Bilanzstichtag noch Beherrschung vorliegt, ist uE das Tochterunternehmen weiterhin zu konsolidieren, allerdings ist bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen IFRS 5 anzuwenden (vgl. Tz. 206 ff.). Der Erlös aus der Veräußerung der Anteile ist vielmehr als erhaltene Anzahlung im Konzernabschluss auszuweisen. Liegt dagegen am Bilanzstichtag keine Beherrschung mehr vor, so ist unmittelbar zu endkonsolidieren und die noch ausstehende Zahlung als ausstehende Forderung (deferred consideration) zu erfassen (vgl. EY, International GAAP 2023, Kap. 7, ...