Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 157
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Im Zusammenhang mit den vorstehenden Kriterien fällt auf, dass der Terminus "Geschäftsmodell" zwar vom IASB verwendet, jedoch nicht definiert wird. Das muss umso mehr erstaunen, als dass für den Ausdruck in Theorie und Praxis keine allgemein anerkannte Definition existiert und er in einer Vielzahl von Bedeutungen verwendet wird – und sei es zur Ablehnung einer bestimmten Bilanzierungskonsequenz mit der Aussage "It does not reflect my business model", wie dies im Zuge der Entstehung von IFRS 9 mehrfach zu hören war. Auch wenn zu konzedieren ist, dass es im HGB und den Deutschen Rechnungslegungs Standards (und hier insbesondere in DRS 20 Konzernlagebericht) ebenfalls keine begriffliche Abgrenzung des Terminus gibt und er gleichwohl verwendet wird, ist angesichts der in IFRS 9 Appendix A enthaltenen Fülle an definierten Begriffen schon erstaunlich, dass ausgerechnet ein Ausdruck, der von derart zentraler Bedeutung für die Bewertungsvorschriften ist, undefiniert bleibt. In den Anwendungsleitlinien zum Standard finden sich zwar eine ganze Reihe an Erläuterungen; allerdings scheinen diese in Teilen widersprüchlich zueinander (vgl. Tz. 158f.). Entsprechend verwundert nicht, dass verbreitet Unsicherheit bestand (und in Teilen weiterhin besteht), was konkret unter dem Geschäftsmodell des Unternehmens zu verstehen ist.
Tz. 158
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Der IASB legt zunächst fest, dass die Klassifizierung auf der Grundlage des Geschäftsmodells zu erfolgen hat, das durch Unternehmensangehörige in Schlüsselpositionen (key management personnel) iSv. IAS 24 Related Party Disclosures festgelegt wurde (vgl. IFRS 9.B4.1.1). Die Bezugnahme auf die oberste Führungsebene des Unternehmens deutet auf eine strategische und damit eine grundsätzliche, nicht fallweise zu ändernde Entscheidung hin. Diese für sich genommen eindeutige Formulierung wird dann in der nachfolgenden Textziffer aber durch verschiedene Aussagen verwässert und unschärfer (vgl. IFRS 9.B4.1.2):
- Zunächst wird festgehalten, dass "das Geschäftsmodell des Unternehmens auf einer Ebene festgelegt wird, die ein Spiegelbild dafür ist, wie Gruppen finanzieller Vermögenswerte gemeinsam gesteuert werden, um ein bestimmtes Geschäftsziel zu erreichen";
- darauf folgt die Aussage, dass "das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht von der [Verwendungs-]Absicht des Managements für ein einzelnes Instrument" abhänge. Ergo handele es sich "nicht um eine Entscheidung, die für jedes Instrument gesondert getroffen, sondern auf einer höheren Aggregationsebene festgelegt werden solle";
- schließlich heißt es, dass "ein einzelnes Unternehmen mehr als nur ein Geschäftsmodell zur Steuerung von Finanzinstrumenten habe könne und die Klassifizierung nicht auf Ebene des Berichtsunternehmens erfolgen müsse." Als Beispiele für diese Aussage führt der IASB sodann ein Unternehmen an, dass zwei Portfolien besitzt und die darin enthaltenen Finanzinstrumente in einem Portfolio zum Zwecke der Vereinnahmung vertraglich festgelegter Zahlungen, im anderen zur Realisierung von Wertschwankungen durch Handeln steuert (zu diesen beiden "Arten" an Geschäftsmodellen äußert sich der IASB zusätzlich über mehrere Textziffern, vgl. dazu Tz. 160ff.). Auch könne es sachgerecht sein, ein Portfolio in Subportfolien zu unterteilen, für die unterschiedliche Zielsetzungen der Wertschöpfung bestünden.
Die Bestimmung des jeweils maßgeblichen Geschäftsmodells ergebe sich nach Ansicht des IASB damit objektiv durch das tatsächliche Handeln des Unternehmens und gründe sich nicht auf Absichtserklärungen. In die Beurteilung seien alle verfügbaren Informationen einzubeziehen, darunter auch die Art der internen Erfolgsmessung und -berichterstattung an die Leitungsebene, die jeweils maßgeblichen Risiken und deren Steuerung sowie die Grundlage der Entlohnung der jeweils tätigen Personen (vgl. IFRS 9.B4.1.2B).
Tz. 159
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die vorstehenden Aussagen machen deutlich, dass in den Erläuterungen zum Geschäftsmodell mehrere Betrachtungsebenen miteinander vermengt werden:
- So geht es zunächst um die Unternehmensebene, die das resp. die Geschäftsmodell(e) originär festlegt – diese soll offenkundig weit oben auf der Entscheidungsebene angesiedelt sein;
- dann finden sich Aussagen zum Bezugsobjekt, welches einem Geschäftsmodell unterliegt – dies kann ein Geschäftsbereich, ein Portfolio, ein Subportfolio u.dgl., nicht aber das einzelne Finanzinstrument sein;
- und schließlich gibt es Formulierungen, wonach die Art und Weise, wie das Unternehmen vertragliche Zahlungen vereinnahmt, eine Rolle spiele (nämlich "Halten zum Zwecke der Vereinnahmung der Zahlungen", "Verkaufen zwecks Realisierung eingetretener Wertschwankungen" oder beides), wobei Extremszenarien unberücksichtigt bleiben sollen. Auch stelle eine im Vergleich zur bei Zugang vorgenommenen Klassifizierung andere Art der Realisierung keinen Fehler dar und führe nicht zur Änderung der Klassifizierung der verbleibenden Vermögenswerte. Allerdings sei eine i...