Prof. Dr. Sven Hayn, Dr. Thomas Ströher
Tz. 91
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Verfügungsgewalt basiert auf Rechten (IFRS 10.11). Häufig vermitteln Stimmrechte oder ähnliche Rechte, die an Eigenkapitalinstrumente gekoppelt sind (zB Aktien, Geschäftsanteile) und über die die maßgeblichen Tätigkeiten gesteuert werden können, die Verfügungsgewalt (IFRS 10.B34). Bei der Analyse, ob die maßgeblichen Tätigkeiten durch Stimmrechte und ähnliche Rechte gesteuert werden, haben sowohl der Investor mit der Mehrheit der Stimmrechte zu prüfen, ob er mittels der Stimmrechtsmehrheit auch die Verfügungsgewalt innehat (IFRS 10.B35), als auch Investoren ohne Stimmrechtsmehrheit, ob sie bspw. über vertragliche Vereinbarungen (vgl. Tz. 125ff.), faktische Beherrschung (vgl. Tz. 106) oder potenziellen Stimmrechten (vgl. Tz. 113 ff.) die Verfügungsgewalt erlangt haben (IFRS 10.B38). Soweit ein Investor lediglich über einen geringen Anteil an Stimmrechten verfügt, ist davon auszugehen, dass keine Verfügungsgewalt vorliegt. Dies gilt idR unabhängig von der Stimmrechtsverteilung unter den übrigen Investoren. Bei einem höheren Anteil an Stimmrechten des Investors, der allerdings noch kleiner als 50 % ist, ist zu prüfen, ob Verfügungsgewalt iSd. IFRS 10 oder maßgeblicher Einfluss iSd. IAS 28 vorliegt.
Tz. 91a
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Wenn unter Berücksichtigung von Zweck und Gestaltung des Beteiligungsunternehmens ermittelt wurde, dass die Verfügungsgewalt unmittelbar aus den Stimmrechten an dem Beteiligungsunternehmen resultiert, und keine weiteren Vereinbarungen vorliegen, welche die Bedingungen für Entscheidungen ändern, verfügt meist derjenige Investor über Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen, der die zur Bestimmung der Geschäfts- und Finanzpolitik erforderliche Mehrheit der Stimmrechte besitzt, und mit diesem Stimmrechtsanteil ein substanzielles Entscheidungsrecht verbunden ist (idR einfache Mehrheit, ohne vertragliche Vereinbarungen zugunsten Dritter wie zB sog. goldene Aktien oÄ). Der Stimmrechtsanteil wird in vielen Fällen mit dem Kapitalanteil zusammenfallen; auf Letzteren kommt es bei der Beurteilung der Verfügungsgewalt nicht an. Fremdkapitalgeber (wie zB Banken, aber auch Lieferanten) verfügen daher häufig nicht über substanzielle Entscheidungsbefugnisse, sofern nicht weitere vertragliche Befugnisse, ggf. auch nur in Ausnahmesituationen, vereinbart wurden (zur Berücksichtigung von Schutzrechten vgl. Tz. 84 ff.). Bei Fonds, Private-Equity-Strukturen oder Verbriefungsvehikeln stellen Stimmrechte und ähnliche Rechte typischerweise nicht den dominierenden Faktor dar.
Tz. 92
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Neben den Stimmrechten, die der Investor unmittelbar (direkt) hält, sind diesem auch diejenigen Stimmrechte zuzurechnen, die ihm mittelbar über andere Tochterunternehmen gehören. Diese Stimmrechte sind dem Investor vollständig und nicht nur anteilig in Höhe seiner Beteiligungsquote zuzurechnen, da sie im Interesse des beherrschenden Mutterunternehmens ausgeübt werden können. Bei der Ermittlung der verfügbaren Stimmrechte werden somit sämtliche Stimmrechte des Investors und der von ihm beherrschten Unternehmen addiert. Dazu gehören ua.:
- eigene unmittelbar und mittelbar über Tochterunternehmen gehaltene Stimmrechte des Investors aufgrund von Eigenkapitalinstrumenten;
- Stimmrechte aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vereinbarungen zugunsten des Investors;
- Verfügungsbefugnisse des Investors über Stimmrechte Dritter aufgrund vertraglicher Vereinbarungen;
- mittelbare Steuerung der Stimmrechtsausübung von Dritten (Agenten) durch den Investor;
- Ausübung potenzieller Stimmrechte durch den Investor;
- eine Kombination der genannten Alternativen.
Tz. 93
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
(einstweilen frei)
Tz. 94
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
IFRS 10 liefert keinen Anhaltspunkt für einen Abzug von Stimmrechten bei der Ermittlung der Stimmrechte des Mutterunternehmens am Tochterunternehmen. Die explizite Anlehnung des Beherrschungskonzepts an die entsprechende Regelung der 7. EG-Richtlinie (vgl. IASC News, August 1987, S. 3) legt indes eine analoge Regelung zur 7. EG-Richtlinie nahe (zur Bedeutung der 7. EG-Richtlinie für das Beherrschungskonzept vgl. Tz. 192 ff.). Demnach sind von den Stimmrechten, die dem Mutterunternehmen direkt oder indirekt gehören, gem. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) u. b) 7. EG-Richtlinie folgende Rechte abzuziehen:
- die Rechte, die mit Aktien oder Anteilen verbunden sind, die vom Mutterunternehmen oder von einem anderen Tochterunternehmen für Rechnung einer anderen Person als dem Mutterunternehmen oder einem Tochterunternehmen gehalten werden und
- die Rechte, die mit Aktien oder Anteilen verbunden sind, die als Sicherheit gehalten werden, sofern diese Rechte nach erhaltenen Weisungen ausgeübt werden, oder der Besitz dieser Anteile oder Aktien für das haltende Unternehmen ein laufendes Geschäft im Zusammenhang mit der Gewährung von Darlehen darstellt, sofern die Stimmrechte im Interesse des Sicherungsgebers ausgeübt werden.
Tz. 95
Stand: EL 51 – ET: 10/2023
Ein Abzug dieser Rechte...