Gregor A. Bartle, Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Otto H. Jacobs
Tz. 75
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Grundsätzlich ist zunächst jeder Vermögenswert des Vorratsvermögens auf Basis der konkret zum Zeitpunkt des Erwerbs bzw. der Erstellung entstandenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten. Im Sinne eines ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses, insbesondere bei größeren Vorratsbeständen, sind aber Vereinfachungsverfahren, namentlich die Standardkostenmethode und die retrograde Methode, zulässig. Voraussetzung ist, dass sich deren Ergebnisse den tatsächlichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten annähern (IAS 2.21).
Tz. 76
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Die Standardkostenmethode (standard cost method; IAS 2.21) ist eine Form der Normalkostenrechnung. Im Rahmen der Standardkostenmethode werden die Herstellungskostenbestandteile auf Basis eines Normalverbrauchs (normal levels) stückbezogen budgetiert und unter Berücksichtigung der Kosten für die Herstellungskostenbestandteile ein Soll-Herstellungskostensatz ermittelt. Die Kalkulation der Standardkosten basiert auf periodischen Schätzungen über entstehende Kosten, die Betriebstätigkeit und -effizienz und die zugehörigen Aufwendungen. Die dabei verwendeten levels sind regelmäßig zu überprüfen und, falls notwendig, anzupassen, sodass die verwendeten Kosten grundsätzlich Plankosten darstellen, die sich im Laufe des Produktionsablaufs an die aktuellen Gegebenheiten anpassen (IAS 2.21). Die Häufigkeit der Überprüfung der Standardkosten sollte von den individuellen betrieblichen Gegebenheiten und Veränderungen sowie der Preisvolatilität abhängig gemacht werden. Es erscheint sinnvoll, dass zumindest zu jeder Zwischenberichterstattung eine Überprüfung erfolgt (aA Riese, in: Beck IFRS-Handbuch, § 8 Rz. 72). Eine Korrektur der Standardkosten bedeutet idR nicht, dass die zuvor ermittelten Standards falsch waren, sondern vielmehr, dass zusätzliche Informationen verarbeitet werden.
Tz. 77
Stand: EL 45 - ET: 11/2021
Eine Bewertung der Vorräte zu Standardkosten wird solange für zulässig erachtet, als sie eine direkte Beziehung zu den tatsächlichen Kosten widerspiegelt. Sind Abweichungen zu den Istkosten zu groß oder treten sie zu häufig auf, deutet dies auf eine Fehlerhaftigkeit der verwendeten Standards hin, sodass diese einer Überarbeitung bedürfen. Der Vorteil der Verwendung von Standardkosten liegt im Vergleich zur Verrechnung von Istkosten darin, dass eine Überbewertung der Vorräte grundsätzlich ausgeschlossen wird. Durch die Verrechnung von Kosten, die einen "normalen" Betriebsablauf unterstellen, werden Kosten ineffizienter Produktion, ungewöhnliche Ausschusskosten oder Kosten der Unterbeschäftigung nicht in die Herstellungskostenkalkulation einbezogen. Die Obergrenze des Ansatzes nach der Standardkostenmethode bilden die tatsächlich angefallenen Istkosten. Die Standardkostenmethode wird im HGB nicht genannt, sie wird aber in der handelsrechtlichen Kommentierung unter engen Voraussetzungen für zulässig erachtet (vgl. Schubert/Gadek, in: Beck Bil.-Komm., § 255 HGB, Tz. 417).