Tz. 103

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

IAS 8 (überarbeitet 1993) enthielt bereits Ausnahmeregelungen zur retrospektiven Anwendung bei Vorliegen von Undurchführbarkeit. Diese wurden in abgewandelter Form in IAS 8 (überarbeitet 2003) übernommen. So wurde der Anwendungsbereich des Undurchführbarkeitskriteriums auf sämtliche Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden ausgedehnt. IAS 8 (überarbeitet 1993) sah diese Ausnahmeregelung nur für freiwillige Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden vor (vgl. IAS 8.BC29).

 

Tz. 104

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden sind dann nicht retrospektiv anzuwenden, wenn die retrospektive Anwendung praktisch undurchführbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn eine Bilanzierungs- und Bewertungsmethode trotz aller angemessenen Anstrengungen (reasonable effort) des Unternehmens nicht rückwirkend angewendet werden kann. Was unter angemessenen Anstrengungen zu verstehen ist, wird in IAS 8 nicht erläutert. Es sind darunter solche Anstrengungen zu verstehen, die nicht den im Conceptual Framework verankerten Grundprinzipien der Wesentlichkeit (CF 2.11), Zeitnähe (CF 2.33) und Kosten/Nutzenabwägungen (CF 2.39ff.) entgegenstehen.

 

Tz. 105

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Undurchführbarkeit wird in IAS 8.5 wie folgt konkretisiert:

(1) Die Auswirkungen der rückwirkenden Anwendung sind nicht bestimmbar. Voraussetzung für die Bestimmbarkeit ist, dass die kumulierten Auswirkungen in einer Periode sowohl für die Eröffnungs- als auch für die Schlussbilanz ermittelt werden können (IAS 8.26). Beispiel hierfür ist das Nicht-Vorhandensein von Aufzeichnungen und sonstigen Unterlagen, wenn diese auch nicht nachträglich ermittelbar sind (IAS 8.50). Ein Unternehmen hat folglich Anstrengungen zur nachträglichen Aufbereitung zu unternehmen, um die Auswirkungen nachträglich ermitteln zu können. Die Unterlassung derartiger Anstrengungen kann nur mit der Unwesentlichkeit der hierbei gewonnenen Informationen für die Adressaten, nicht aber mit erheblichem Aufwand aus Sicht des Unternehmens begründet werden (vgl. IAS 8.BC24; aA wohl Beck IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 45, Tz. 24, wonach IAS 8.50 auch dann schon zur Anwendung kommt, wenn die notwendigen Daten nicht entsprechend aufbereitet wurden). Es ist nicht zwingend erforderlich, dass die Auswirkungen mit letzter Präzision ermittelt werden können. Sofern die Auswirkungen unter Verwendung von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen verlässlich ermittelbar sind (vgl. hierzu Tz. 31), sind diese ausreichend bestimmbar (IAS 8.53).
(2) Die rückwirkende Anwendung erfordert Annahmen über mögliche Absichten des Managements in der entsprechenden Periode. Bedeutung kann dies insbesondere im Bereich der Ermessensentscheidungen durch das Management (vgl. Tz. 25f.) erlangen. Nachträgliche Erkenntnisse dürfen hierbei nicht berücksichtigt werden (lex generalis in IAS 8.53, zur Aufweichung dieser Grundregel in verschiedenen Einzelregelungen vgl. Freiberg, PiR 2018, S. 99ff.). Wenn zB das Management in späteren Perioden entscheidet, eine Sachanlage zu veräußern und somit IFRS 5 zur Anwendung kommt, so darf diese Umklassifikation nicht auf Perioden ausgedehnt werden, die zeitlich vor dem Treffen dieser Entscheidung lagen. Als Anforderung an die Praxis ist zu stellen, dass die Absichten des Managements in der Vergangenheit beleg- und nachweisbar sind, zB durch Vorstands- oder Aufsichtsratsprotokolle, Schriftverkehr etc.
(3)

Sofern bedeutende rechnungslegungsbezogene Schätzungen (significant accounting estimates) bei der rückwirkenden Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden erforderlich sind, sind folgende Besonderheiten zu beachten (vgl. IAS 8.51):

(a) Schätzungen sind subjektiver Natur,
(b) Schätzungen werden häufig erst nach dem Bilanzstichtag, aber vor Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung vorgenommen, und
(c) bei der rückwirkenden Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden wird die Vornahme von Schätzungen auf Basis der zum Zeitpunkt der Aufstellung des damaligen Abschlusses vorhandenen Informationen dadurch erschwert, dass diese Informationen durch zwischenzeitlich bis zur Vornahme der Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethode gewonnene, zusätzliche Erkenntnisse verwässert werden. Beispiel hierfür ist die Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts von Finanzinstrumenten, der nicht auf beobachteten Parametern wie zB öffentlichen Marktpreisen basiert.

IAS 8 lässt offen, was unter einer bedeutenden Schätzung zu verstehen ist. Hierunter sind Schätzungen von einigem Gewicht zu verstehen, die – je nach verwendetem Wert für die Schätzungen – unterschiedliche Interpretationen eines Sachverhalts im Rahmen einer Abschlussanalyse zulassen. Der Grundsatz der retrospektiven Anwendung erfordert, dass auch bedeutende Schätzungen im Zusammenhang mit früheren Perioden nur auf Erkenntnissen beruhen dürfen, die bis zum Zeitpunkt der Freigabe des Abschlusses zur Veröffentlichung (vgl. Tz. 32) vorhanden waren. Dies bedeutet j...

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