Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch
Tz. 48
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Die Informationen des IFRS-Abschlusses können nur dann entscheidungsnützlich sein, wenn sie die Anforderungen der glaubwürdigen Darstellung erfüllen (CF.2.12–2.19). Zur glaubwürdigen Darstellung der Informationen des IFRS-Abschlusses müssen die Geschäftsvorfälle und Ereignisse des Geschäftsjahres den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend, dargestellt werden. Das Conceptual Framework gibt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vor (substance over form). Die Darstellung eines Sachverhalts hat sich demnach nicht allein an dessen rechtlicher Gestaltung, sondern an dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt zu orientieren (vgl. Kleindiek, in: MünchKommBilR, Einf., Tz. 97). Der substance over form-Grundsatz war im Conceptual Framework (2010) nicht mehr enthalten, ist nun aber wieder explizit ein Aspekt der glaubwürdigen Darstellung (CF.BC2.21).
Tz. 48a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wenn monetäre Beträge für den IFRS-Abschluss nicht konkret ermittelt werden können, sind Schätzungen notwendig. Schätzungen haben damit einen wesentlichen Anteil an der Abschlusserstellung. Gleichwohl sind sie mit Bewertungsunsicherheiten (measurement uncertainty) verbunden, die bei der Beurteilung, ob Informationen glaubwürdig dargestellt werden können, berücksichtigt werden müssen. Bewertungsunsicherheiten führen indes (selbst wenn sie in hohem Maße vorliegen) nicht automatisch dazu, dass Informationen nicht entscheidungsnützlich sind. Allerdings ist ein Abwägen mit der Relevanz der Informationen notwendig (CF.2.22). Denn eine in hohem Maße unsichere Schätzung kann die relevanteste Information über einen Sachverhalt liefern. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die mit der Schätzung einhergehende Bewertungsunsicherheit eine glaubwürdige Darstellung der Informationen zulässt.
Tz. 48b
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Zwischen den fundamentalen qualitativen Anforderungen besteht somit ein Zielkonflikt. Bereits im Conceptual Framework (2001) bestand dieser Zielkonflikt zwischen der Anforderung der Relevanz und der damals noch geltenden Anforderung der Verlässlichkeit. Da die Bewertungsunsicherheit den Kern des früheren Begriffsverständnisses zur Verlässlichkeit umfasst, besteht der Zielkonflikt nunmehr zwischen Relevanz und glaubwürdiger Darstellung bzw. dem Teilaspekt der Bewertungsunsicherheit (CF.BC2.49; Erb/Pelger, WPg 2018, S. 877; zur Grundsatzabwägung vgl. Tz. 67). Die Voraussetzung dafür, dass Informationen aus Schätzungen trotz hoher Bewertungsunsicherheiten als entscheidungsnützlich anzusehen sind, sind klare und präzise Beschreibungen und Erläuterungen der Schätzungen (CF.2.19; vgl. detailliert Baetge/Zülch, in: HdJ, Abt. I/2, Tz. 242f.). Die Beurteilung von Bewertungsunsicherheiten nimmt im neuen Conceptual Framework eine wichtige Stellung ein. Sie wird sowohl im Zusammenhang mit den Ansatzkriterien (vgl. Tz. 96–101) als auch bei der Auswahl eines Bewertungsmaßstabes (vgl. Tz. 174–177) diskutiert.
Tz. 49
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Alle Geschäftsvorfälle müssen nach CF.2.12 den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend im IFRS-Abschluss dargestellt sein. Der Grundsatz der glaubwürdigen Darstellung wird in der IFRS-Rechnungslegung durch die drei folgenden Kriterien konkretisiert:
- Vollständigkeit (completeness);
- Neutralität (neutrality); und
- Fehlerfreiheit (free from error).
Das Ziel ist es, diese Kriterien möglichst vollumfänglich zu erfüllen. Der IASB räumt indes ein, dass eine vollumfängliche Erfüllung der Anforderungen nur schwer, wenn nicht unmöglich zu erreichen ist (CF.2.13).