Dr. Stefan M. Schreiber, Prof. Dr. Dirk Simons
Tz. 151
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Ist die Leistungsbedingung, von der die Länge des Erdienungszeitraumes abhängt, eine marktunabhängige Bedingung, muss geschätzt werden, wann mit dem Eintritt dieser Bedingung zu rechnen ist. Später sind dann – anders als bei Marktbedingungen (vgl. Tz. 146) – ggf. Anpassungen geboten (IFRS 2.15 (b)). MaW: Die erste Einschätzung bedarf einer fortlaufenden Überprüfung, ob daran noch festgehalten werden kann. Dies ist die Konsequenz aus dem Grundsatz, dass bei marktunabhängigen Bedingungen die Schätzung der Anzahl der Bezugsrechte, welche unverfallbar werden, in künftigen Perioden anzupassen ist (vgl. Tz. 146).
Tz. 152
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Eine anteilsbasierte Vergütung kann dabei auch so ausgestaltet sein, dass eine neben der Dienstbedingung vorgesehene Leistungsbedingung (hier: non-market condition), so formuliert wird, dass die Länge der Dienstbedingung (und damit des Erdienungszeitraums) vom Erreichen oder Verfehlen der Leistungsbedingung abhängt. Eine solche Situation liegt schon dann vor, wenn vorgesehen ist, dass bei einem vorzeitigen Erreichen eines marktunabhängigen Leistungsziels innerhalb eines bestimmten Zeitraums (zB fünf Jahre) mit Zielerreichung (zB nach drei Jahren) zugleich auch die Unverfallbarkeit des Anspruchs eintritt.
Beispiel (vgl. IFRS 2.IG Beispiel 2):
Sachverhalt: Zu Beginn des ersten Jahres sagt das Unternehmen jedem seiner 500 Arbeitnehmer (AN) 100 Aktien unter der Bedingung zu, dass sie während des Erdienungszeitraums im Unternehmen verbleiben. Die Aktien werden am Ende des ersten Jahres übertragen, wenn das Unternehmen seinen Gewinn bis dahin um mehr als 18 % gesteigert hat; am Ende des zweiten Jahres, wenn der Gewinn im Durchschnitt der letzten beiden Jahre um mehr als 13 % gestiegen ist; am Ende des dritten Jahres, wenn sich der Gewinn im Dreijahresdurchschnitt um mehr als 10 % erhöht hat. Zu Beginn des ersten Jahres liegt der beizulegende Zeitwert der Aktien bei EUR 30 je Aktie, was dem Aktienpreis zum Gewährungszeitpunkt entspricht. Innerhalb der nächsten drei Jahre werden keine Dividendenzahlungen erwartet.
Bis zum Ende des ersten Jahres konnte der Gewinn um 14 % gesteigert werden. 30 Angestellte haben das Unternehmen im gleichen Zeitraum verlassen. Die Gesellschaft erwartet einen weiteren Gewinnanstieg im zweiten Jahr in gleicher Höhe und geht deshalb von einer Pflicht zur Übertragung der Aktien (= Unverfallbarkeit des Rechts auf Bezug von Anteilen) am Ende des zweiten Jahres aus. Auf Basis einer gewichteten Durchschnittswahrscheinlichkeit wird des Weiteren angenommen, dass im folgenden Jahr weitere 30 Angestellte das Unternehmen verlassen werden. Folglich geht die Unternehmensführung davon aus, dass am Jahresende 440 Mitarbeiter Anspruch auf jeweils 100 Aktien haben werden.
Am Ende des zweiten Jahres ist der Gewinn entgegen der Erwartung zum Ende des Vorjahres nur um 10 % gestiegen, sodass die Aktien noch nicht übertragen werden. 28 Arbeitnehmer haben das Unternehmen innerhalb des Jahres verlassen. Es wird erwartet, dass weitere 25 Mitarbeiter im nächsten Jahr gehen werden und der Gewinn im gleichen Zeitraum um mindestens 6 % steigt und damit einen Durchschnittswert von 10 % (= 30 % / 3 Jahre) erreichen wird.
Im dritten Jahr haben 23 Angestellte das Unternehmen verlassen und der Gewinn hat sich um 8 % erhöht, was einem durchschnittlichen Anstieg von 10,67 % pro Jahr entspricht. Folglich haben 419 Angestellte am Ende des dritten Jahres jeweils 100 Aktien erhalten.
Lösung:
Jahr |
Berechnung Periodenaufwand |
Periodenaufwand |
Kumulierter Aufwand |
1 |
440 AN * 100 Aktien * EUR 30 * 1/21 (1erstes Jahr von geschätzten zwei Jahren) |
EUR 660.000 |
EUR 660.000 |
2 |
(417 AN * 100 Aktien * EUR 30 * 2/32) – EUR 660.000 (2zwei Jahre von geschätzten drei Jahren) |
EUR 174.000 |
EUR 834.000 |
3 |
(419 AN * 100 Aktien * EUR 30 * 3/3) – EUR 834.000 |
EUR 423.000 |
EUR 1.257.000 |
Tz. 153
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Das vorstehende Beispiel ist aber durchaus kritisch zu sehen, weil es unterstellt, dass während der drei Jahre währenden vesting period keine Dividendenzahlungen geleistet werden. Dies ermöglicht es, in dem Beispiel vereinfachend zu unterstellen, dass der beizulegende Zeitwert dem Marktwert zum Ausgabezeitpunkt (Tag der Gewährung) entspricht. Wird die Annahme zur Dividendenpolitik fallen gelassen, stellten sich die begünstigten Arbeitnehmer besser, wenn sie die Anteile bereits nach zwei Jahren erhielten, da sie dann im dritten Jahr auch einen Dividendenanspruch hätten. IFRS 2 enthält keine Vorgabe, wie in solchen (realistischeren) Situationen zu verfahren ist. Das Schrifttum (vgl. EY, International GAAP 2022, Kap. 29, Abschn. 6.2.3) schlägt eine Anlehnung an die in Beispiel 4 des IFRS 2.IG (vgl. Tz. 162) illustrierte Verfahrensweise vor. Dies impliziert eine Behandlung des Sachverhalts in der Weise, dass zwei Optionen mit einem jeweils unterschiedlichen Erdienungszeitraum von zwei bzw. drei Jahren unterstellt werden, wobei die wahrscheinlichere Alternative zunächst als Grundlage...