Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Eva Bracht
Tz. 51
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
In IFRS 11.A sind separate Einheiten einschließlich juristischer Personen oder Einheiten, die aufgrund einer Satzung bestehen, als einzeln "abgrenzbare Finanzstrukturen" definiert. Dies ist unabhängig davon, ob die Einheiten eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Darüber hinaus ist nicht entscheidend, ob die Vermögenswerte und Schulden die Unternehmensdefinition gem. IFRS 3 erfüllen (IFRS 11.BC29). Diese sehr weite Definition lässt viel Gestaltungsspielraum für die Identifizierung einer separaten Einheit. Zudem klärt IFRS 11 nicht, wie das Hauptmerkmal, die "abgrenzbare Finanzstruktur", auszulegen ist. Im Schrifttum umstritten ist insofern auch, ob ein eingerichtetes Gemeinschaftskonto der Parteien, ein eigenständiges Rechnungswesen oder eine unabhängige Finanzierungsstruktur vorliegen muss, damit das Kriterium der "abgrenzbaren Finanzstruktur" bejaht werden kann. Letztlich müssen uE jedoch (wie auch IFRS 11.B19 zu entnehmen ist) zumindest bestimmte Vermögenswerte und Schulden, die für die Aktivitäten der gemeinschaftlichen Vereinbarung erforderlich sind, der separaten Einheit zugeordnet werden können (hierzu vgl. Fuchs/Stibi, BB 2011, S. 1452; Ehrcke, in: Internationales Bilanzrecht, IFRS 11, Tz. 148; Schild, 2018, S. 17).
Tz. 52
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Gem. IFRS 11.BC26 ist im Umkehrschluss von einer gemeinschaftlichen Tätigkeit auszugehen, wenn eine vertragliche Vereinbarung nicht mithilfe einer separaten Einheit strukturiert ist. Nach Ansicht des IASB entsteht bei gemeinschaftlichen Vereinbarungen, die keine separate Einheit besitzen, äußerst selten ein Anspruch am Reinvermögen. Vielmehr bestehen in der großen Mehrheit unmittelbare Rechte und Pflichten an den Vermögenswerten bzw. für die Schulden. Auf einen zusätzlichen Prüfungsschritt, ob bei einer gemeinschaftlichen Vereinbarung, welche nicht durch eine separate Einheit strukturiert ist, den Parteien Rechte am Reinvermögen zustehen, wird aufgrund von Kosten-Nutzen-Aspekten verzichtet (IFRS 11.BC27).
Tz. 53
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Gem. IFRS 11.B17 hat eine gemeinschaftliche Vereinbarung keine separate Einheit, wenn die Vereinbarung lediglich vorsieht, dass jede Partei die eigenen Vermögenswerte nutzt und Schulden eingeht sowie angefallene Gemeinkosten und die erzielten Erträge gemäß den vertraglichen Regelungen verteilt werden. Sofern die Parteien einer gemeinschaftlichen Vereinbarung Vermögenswerte gemeinsam nutzen und die Aufwendungen und Erträge entsprechend dem vorgesehen Aufteilungsschlüssel verteilen, liegt gem. IFRS 11.B18 ebenfalls keine separate Einheit vor. Bei allen nach deutschem Recht üblichen Gesellschaftsformen (AG, GmbH, OHG, KG usw.), die eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzen und über Gesellschafts- oder Gesamthandsvermögen verfügen, besteht die Vermutung, dass ein Gemeinschaftsunternehmen vorliegt (vgl. Böckem/Ismar, WPg 2011, S. 823). Eine abweichende Klassifizierung als gemeinschaftliche Tätigkeit kann idR nur aufgrund von vertraglichen Bestimmungen oder sonstigen Tatsachen und Umständen erforderlich sein. Als Beispiel für eine gemeinschaftliche Tätigkeit bei Vorliegen einer separaten Einheit führt IFRS 11.B31f. eine Zuliefergesellschaft an, deren Leistungen allein von den Parteien abgenommen werden.
Tz. 54
Stand: EL 40 – ET: 02/2020
Für BGB-Innengesellschaften, Bruchteilsgemeinschaften sowie für Gelegenheitsgesellschaften ist zu prüfen, ob diese über eine separate Einheit verfügen (vgl. Schild, 2018, S. 17f.).