I. Grundlagen

 

Tz. 20

Stand: EL 49 – ET: 02/2023

Der Grundsatz der Stetigkeit soll nicht dem Ziel, den Adressaten verlässliche und relevante Informationen zu liefern, entgegenstehen. Folglich soll eine Durchbrechung der Stetigkeit in den Fällen möglich sein, in denen diese dazu dient, dem Adressaten verlässlichere und relevantere Informationen zur Verfügung zu stellen. Folgende Arten der Durchbrechung werden unterschieden:

(1) Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden,
(2) Änderungen von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen und
(3) Fehlerkorrekturen.

II. Auswirkung der Abgrenzung

 

Tz. 21

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Die Abgrenzung zwischen Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Schätzungen und Fehlern erhält ihre materielle Bedeutung nicht nur aufgrund einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Adressaten, sondern auch aufgrund der unterschiedlichen Bilanzierungsweisen, die sich je nach Einstufung eines Sachverhalts ergeben:

 
  Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethode Änderung von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen Fehler
Art der Bilanzierung Rückwirkende Anwendung Prospektive Anwendung Rückwirkende Anpassung
Praktische Undurchführbarkeit Erleichterungsvorschriften für Ansatz und Bewertung gegeben Keine Erleichterungsvorschriften für Ansatz und Bewertung gegeben Erleichterungsvorschriften für Ansatz und Bewertung gegeben
Geltung des Grundsatzes der Stetigkeit Ja Nein* Nein
Erfordernis einer dritten Bilanz gem. IAS 1.10 (f) Ja Nein Ja
Angabepflichten IAS 8.28–31 IAS 8.39f. IAS 8.49

* Vgl. hierzu Tz. 120

 

Tz. 22

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Die Einstufung, ob es sich bei einem Bilanzierungsproblem um eine Schätzung handelt, hat des Weiteren eine Folgewirkung dahingehend, dass diese ggf. im Rahmen der Angaben zu Schätzungsunsicherheiten gem. IAS 1.125ff. im Anhang zu erläutern ist.

III. Abgrenzung im Einzelnen

1. Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden

 

Tz. 23

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Änderungen von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden stellen Änderungen von Prinzipien, grundlegenden Überlegungen, Konventionen, Regeln und Praktiken dar (zu möglichen Änderungen der Definition vgl. Tz. 8a). Die Änderungen können sich auf die Bilanzierung dem Grunde nach (Erfassung bzw. Ansatz), die Bilanzierung der Höhe nach (Bewertung) sowie der Darstellung (Ausweis bzw. Disclosure) hinsichtlich des personellen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereichs beziehen. Die Bilanzierungs- und Bewertungsmethode ist "das Verfahren", dh. die Rechen- oder Ermittlungslogik, das sich aus verschiedenen wertbeeinflussenden Bausteinen, den "Faktoren", zusammensetzt und die bei der Bilanzierung eines bestimmten Sachverhalts zu beachten sind (ähnlich auch IDW RS HFA 38 Tz. 8ff. und Fink/Zeyer, PiR 2011, S. 183ff.). Die Faktoren werden durch die Bilanzierungs- und Bewertungsmethode vorgegeben und können entweder aus Daten, Informationen und Erfahrungen mit Präzision ermittelbar sein (zB die Anschaffungskosten aus einem Kaufvertrag) oder aber mit Unsicherheit behaftet und daher nicht mit Präzision ermittelbar sein (zB die Bewertung von Rückstellungen). Für Letztere erfolgt die Ermittlung im Rahmen von Ermessensentscheidungen oder rechnungslegungsbezogenen Schätzungen (zur Unterscheidung vgl. Tz. 25).

 

Tz. 24

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Änderungen in der Bewertungsgrundlage (zB historische Anschaffungs- oder Herstellungskosten, Tageswert, Nettoveräußerungswert, beizulegender Zeitwert oder erzielbarer Betrag; vgl. IAS 1.118) stellen daher grundsätzlich gem. IAS 8.35 eine Änderung der Bilanzierungs- und Bewertungsmethode dar, da bei diesen Vorgängen das Verfahren ausgetauscht wird.

 

Tz. 24a

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Im Gegensatz dazu ist nach der im Februar 2021 erfolgten Änderung von IAS 8 (folgerichtig) die Änderung der Bewertungstechnik (dh. ein geändertes Schätz- oder Bewertungsverfahren) bei nicht mit Präzision ermittelbaren Wertansätzen eine Schätzungsänderung (vgl. IAS 8.32A sowie Tz. 2f und Tz. 10a).

2. Rechnungslegungsbezogene Schätzungen

 

Tz. 25

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Der Begriff "rechnungslegungsbezogene Schätzungen" wird in IAS 8.5 definiert als in Abschlüssen angegebene Geldbeträge, die mit Bewertungsunsicherheiten behaftet sind.

Aus dieser Definition werden folgende, einer rechnungslegungsbezogenen Schätzung innewohnende Charakteristika ersichtlich (vgl. auch IAS 8.32):

(1) Rechnungslegungsbezogenen Schätzungen iSv. IAS 8 können nur im Bereich der Bewertung bzw. Bewertungsunsicherheiten auftreten. Dies wird auch durch die Ausführungen in IAS 8.32 gestützt, wonach eine Rechnungslegungsmethode vorschreiben kann, dass Posten in Abschlüssen unter Berücksichtigung von Bewertungsunsicherheiten bewertet werden. D.h., die Geldbeträge, die dem Posten zugeordnet werden, sind nicht direkt feststellbar und müssen demzufolge geschätzt werden.
(2) Zur Schätzung entwickelt ein Unternehmen "rechnungslegungsbezogene Schätzungen", um das in der Rechnungslegungsmethode festgelegte Ziel zu erreichen (vgl. dazu auch Heuser/Theile, 6. Aufl., Tz. 12.25; Beck IFRS-Handbuch, 5. Aufl., § 45, Tz. 13, mwN; ähnlich IAS 16.BC33 in Bezug auf Abschreibungsmethoden).
(3) Die Entwicklung von rechnungslegun...

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