Clemens Jungsthöfel, Katharina Rohde
Tz. 39
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Hinsichtlich der Frage, wann ein Versicherungsvertrag oder eine Gruppe von Versicherungsverträgen (vgl. Tz. 23) vom ausstellenden Unternehmen erstmals bilanziell anzusetzen ist (initial recognition), regelt IFRS 17.25, dass dies zum frühesten der folgenden Zeitpunkte zu erfolgen hat:
- Beginn des Deckungszeitraums (= Zeitraum, in dem das Unternehmen Leistungen laut Versicherungsvertrag erbringt);
- Fälligkeit der ersten Prämienzahlung des Versicherungsnehmers;
- Zeitpunkt, zu dem ein Vertrag als defizitär (onerous) eingestuft wird; für eine Gruppe von defizitären Verträgen, wenn die Gruppe belastend ist; Verträge sind dann defizitär, wenn der Erwartungsbarwert der Erfüllungszahlungsströme (present value of future cash flows) einschließlich vorab geleisteter Zahlungen für Abschlusskosten eine Verbindlichkeit darstellt (= net cash outflow).
Der Zeitpunkt der Erstbewertung ist besonders wichtig für die Ermittlung des Erfüllungswerts (fulfilment cash flows) und der vertraglichen Servicemarge CSM sowie für die Festlegung des Diskontzinses (KPMG, 2020, S. 28).
Tz. 40
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Bei vor Beginn des Deckungszeitraums abgeschlossenen Verträgen handelt es sich regelmäßig um sog. schwebende Geschäfte. Werden diese als profitabel eingestuft, dürfen Erträge erst ab dem Beginn der Deckungsperiode erfasst werden. Ist aus dem Vertrag oder der Gruppe ein Verlust zu erwarten, ist hierfür hingegen bereits vor Beginn des Deckungszeitraums eine Drohverlustrückstellung zu bilden (IFRS 17.16 (a) und 25 (c)). Dies entspricht grundsätzlich der (bisherigen) Bilanzierungspraxis zu drohenden Verlusten aus schwebenden Geschäften nach IFRS 4 oder US-GAAP und dem Imparitätsprinzip nach HGB.
Für die Prüfung, ob eine Gruppe von Verträgen im Ansatzzeitpunkt defizitär ist, wird der erwartete Barwert ihrer künftigen Auszahlungen zzgl. einem Risikozuschlag ihren diskontierten künftigen Einzahlungen gegenübergestellt im Rahmen eines sog. onerous contract test (vgl. Ewelt-Knauer et al. 2018, S. 199).
Falls Zahlungen vor der Deckungsperiode bzw. der Fälligkeit der Beiträge eingehen, müssen sie als Teil der liabilities for remaining coverage (LRC) erfasst werden. Vor der Erfassung des Vertrags gezahlte Abschlusskosten sind zunächst erfolgsneutral zu erfassen und im GMM später (bei Erfassung des Vertrags) gegen die CSM auszubuchen (IFRS 17.28C iVm. 38 (c)(i), vgl. Weinberger in Kronthaler et al., 2020, S. 16).
Tz. 41
Stand: EL 54– ET: 10/2024
Eine Ausbuchung eines Versicherungsvertrags erfolgt gemäß IFRS 17.74, wenn alle Rechte und Pflichten aus dem Versicherungsvertrag erloschen sind, die Verpflichtung ausläuft, übertragen oder gekündigt wird oder bei Vertragsanpassungen im Sinne von IFRS 17.72. Letzteres schließt den Wegfall der Erleichterung zur Anwendung des PAA infolge geänderter Bedingungen ein.
Es stellt sich darüber hinaus die Frage, wie die Bilanzierung der versicherungstechnischen Rückstellungen (LRC, LIC) am Ende der Vertragslaufzeit zu erfolgen hat, dh. wenn die Deckungsperiode (coverage period) ausgelaufen ist. Unstrittig ist, dass die Deckungsrückstellung (LRC) aufgelöst (ausgebucht) sein muss. Allerdings kann ein Risiko aus einem Schaden, der bereits eingetreten und noch nicht abgewickelt oder bereits eingetreten aber noch nicht bekannt ist (Spätschaden, IBNR) weiterhin in der Schadenrückstellung (LIC) verbleiben (IFRS 17.BC322). Der Zeitpunkt der Ausbuchung eines Versicherungsvertrags muss bzw. wird daher regelmäßig nicht mit dem Zeitpunkt des Ausbuchens der Schadenrückstellung zusammenfallen.