Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Moritz Nonnast
Tz. 23a
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Für die folgenden Ausführungen ist zu berücksichtigen, dass sich der Standardsetzer in IAS 41 aufgrund einer fehlenden Anpassung des Standards ua. noch auf den Primärgrundsatz der Verlässlichkeit (reliability) des Framework (1989) bezieht und nicht auf die fundamentalen qualitativen Anforderungen des überarbeiteten Rahmenkonzepts von 2018. Indes verweist der IASB darauf, dass der Fundamentalgrundsatz der glaubwürdigen Darstellung (faithful representation) des Conceptual Framework (2018) diejenigen Hauptmerkmale umfasst, die zuvor unter dem Begriff der Verlässlichkeit subsumiert wurden (CF.BC2.21–BC2.31).
Tz. 24
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Die standardspezifischen Ansatzvorschriften des IAS 41 folgen im Wesentlichen den allgemein für Vermögenswerte geltenden Ansatzkriterien des Conceptual Framework (vgl. Janze, KoR 2007, S. 130; Alibahi et al., Wiley 2021, S. 853; Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, in: Haufe IFRS-Kommentar, 19. Aufl., § 40, Tz. 7). Biologische Vermögenswerte und landwirtschaftliche Erzeugnisse sind in der Bilanz des bilanzierenden Unternehmens anzusetzen, wenn die folgenden drei Kriterien kumulativ erfüllt sind (IAS 41.10):
- das Unternehmen hat aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit Verfügungsmacht über den Vermögenswert (IAS 41.10 (a));
- der mit dem Vermögenswert verbundene Zufluss künftigen wirtschaftlichen Nutzens ist wahrscheinlich (IAS 41.10 (b)); sowie
- der beizulegende Zeitwert oder die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Vermögenswerts können verlässlich ermittelt werden (IAS 41.10 (c)).
Da dem Ansatz biologischer Vermögenswerte sowie landwirtschaftlicher Erzeugnisse weder ein kodifiziertes Ansatzverbot noch ein kodifiziertes Ansatzwahlrecht entgegensteht, sind diese ansatzpflichtig, soweit die drei oben aufgeführten Kriterien erfüllt sind (vgl. Janze, 2006, S. 271; Kümpel et al., in: Thiele/von Keitz/Brücks, 36. Erg.-Lfg. März 2018, IAS 41, Tz. 116).
Tz. 24a
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
In IAS 41.11 wird explizit das rechtliche Eigentum als eine Möglichkeit zum Nachweis der Verfügungsmacht über den biologischen Vermögenswert bzw. das landwirtschaftliche Erzeugnis angeführt. Im Falle von Tieren kann das zivilrechtliche Eigentum bspw. durch Brandzeichen, Ohrmarken oder andere Markierungen nachgewiesen werden, die bei Erwerb, Geburt oder Entwöhnung des Jungtiers vom Muttertier angebracht wurden (vgl. Währisch, in: Heuser/Theile, 6. Aufl., Kap. 21, Tz. 27; Kümpel, KoR 2006, S. 552). Das rechtliche Eigentum ist allerdings nicht als notwendige Bedingung zu verstehen. Auch im Rahmen landwirtschaftlicher Tätigkeit ist – iSe. wirtschaftlichen Betrachtungsweise (substance over form) (vgl. hierzu auch IFRS-Komm., Teil A, Kap. II, Tz. 48) – der Nachweis des wirtschaftlichen Eigentums ausreichend.
Tz. 24b
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Der Ansatz eines biologischen Vermögenswerts bzw. eines landwirtschaftlichen Erzeugnisses erfolgt zu dem Zeitpunkt, zu dem die drei Ansatzkriterien erstmals kumulativ erfüllt sind, dh. idR, wenn das bilanzierende Unternehmen die Kontrolle über den Vermögenswert erlangt (Währisch, in: Heuser/Theile, 6. Aufl., Kap. 21, Tz. 28; Jessen, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 41, Tz. 8). Bei käuflich erworbenen biologischen Vermögenswerten dürfte dieser Zeitpunkt unproblematisch zu bestimmen sein, da er dem Datum entspricht, zu welchem die (wirtschaftliche) Kontrolle im Rahmen eines Anschaffungsvorgangs von einem Dritten auf das bilanzierende Unternehmen übergeht (vgl. Pier, 2015, S. 91f.). Bei selbst produzierten biologischen Vermögenswerten ist der Ansatzzeitpunkt regelmäßig der Zeitpunkt der Geburt (im Falle von Tieren) oder der Anpflanzung bzw. der Aussaat (im Falle von Pflanzen) (vgl. Jessen, in: Beck’sches IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 41, Tz. 8; Währisch, in: Heuser/Theile, 6. Aufl., Kap. 21, Tz. 28; PwC, Manual of accounting 2021, FAQ 33.16.1).
Tz. 24c
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Gemäß IAS 41.11 wird der künftige wirtschaftliche Nutzen eines biologischen Vermögenswerts bzw. landwirtschaftlichen Erzeugnisses gewöhnlich durch die Bewertung der wesentlichen körperlichen Eigenschaften (significant physical attributes) ermittelt. Im Falle von Tieren können diese Eigenschaften bspw. das Gewicht oder der Gesundheitszustand sein; im Falle von Pflanzen zB die Größe des Blütenstandes oder die Halmstärke (vgl. Pier, 2015, S. 69).
Tz. 25
Stand: EL 47 – ET: 06/2022
Zwar wären die angeführten Kriterien des IAS 41.10 auch für landwirtschaftliche Erzeugnisse regelmäßig erfüllt. Da diese Erzeugnisse, sofern sie nicht an fruchttragenden Pflanzen wachsen (hierzu vgl. Tz. 25a), aber erst zum Zeitpunkt der Ernte entstehen (IAS 41.5) und bis zu diesem Zeitpunkt Teil der biologischen Vermögenswerte sind, aus denen sie bei der Ernte letztlich hervorgehen, werden landwirtschaftliche Erzeugnisse vor dem Zeitpunkt der Ernte nicht separat angesetzt. So wird bspw. die Wolle eines Schafs vor dem Scheren zusammen mit dem biologischen Vermögenswert "Schaf" angesetzt. Die...