Dr. Stefan M. Schreiber, Prof. Dr. Dirk Simons
Tz. 79
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Eine Festlegung auf bestimmte optionspreistheoretische Bewertungsmodelle zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes nimmt IFRS 2 nicht vor. Mit dem Empfehlungsverzicht sollte ua. die Flexibilität gewonnen werden, Weiterentwicklungen im Bereich der Optionsbewertung jederzeit berücksichtigen zu können (vgl. Pellens et al., 2021, S. 584). Außerdem soll den bilanzierenden Unternehmen ermöglicht werden, das unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Rahmenbedingungen beste Bewertungsmodell auszuwählen (zu einem kurzen Überblick vgl. auch Zwirner/Froschhammer, IRZ 2010, S. 163ff.).
Tz. 80
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
(einstweilen frei)
Tz. 81
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
In den Anwendungsleitlinien zum IFRS 2 (Application Guidance), die im Appendix B abgedruckt sind, werden zur Unterstützung der vorgenannten Auswahlentscheidung Mindestanforderungen an allgemein anerkannte Bewertungsmodelle formuliert. Im Wesentlichen sind bei der Auswahl alle Kriterien zu berücksichtigen, die ein sachverständiger, vertragswilliger Marktteilnehmer bei der Wahl des Bewertungsmodells heranzöge (IFRS 2.B5). IFRS 2 nennt explizit das Black/Scholes- und das Binomialmodell (IFRS 2.B17), die als die bekanntesten allgemein anerkannten Bewertungsverfahren angesehen werden können (zu den Optionspreismodellen vgl. zB Hull, 2022, S. 288ff., 338ff., S. 376ff.; Rudolph/Schäfer, 2010, S. 239–284).
Tz. 81a
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Auch die Anwendung einer Monte-Carlo-Simulation wird als zulässig erachtet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um kein analytisches Verfahren handelt, was bedeutet, dass im Gegensatz zu Black/Scholes- und Binomialmodell bei wiederholter Anwendung des Verfahrens auf ein und dasselbe Fallbeispiel unterschiedliche Wertansätze ermittelt werden. Insofern ist die intersubjektive Nachprüfbarkeit beeinträchtigt.
Tz. 82
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Für Zwecke der Rechnungslegung ist eine klare Abgrenzung der Begrifflichkeiten dringend erforderlich. Wenn eine Bewertung der Option zum beizulegenden Zeitwert (fair value) gefordert ist, so soll die Option mit ihrem Gesamtwert bewertet werden, der sich additiv aus innerem Wert und Zeitwert zusammensetzt. Eine Gleichsetzung der Begriffe Zeitwert und beizulegender Zeitwert ist daher keine unscharfe Differenzierung bei der Verwendung von Begrifflichkeiten, sondern ein konzeptioneller Fehler. Die Zusammenhänge zwischen Aktienkursentwicklung, innerem Wert und Zeitwert verdeutlicht die nachfolgende Abbildung 4 (vgl. Pellens et al., 2021, S. 584).
Abb. 4: Komponenten des Optionswertes
aa. Black/Scholes-Modell
Tz. 83
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Die Bewertungsgleichung, die unter dem Namen Black/Scholes-Modell bekannt geworden ist, wurde in den 1970er Jahren von Black, Scholes und Merton entwickelt; die beiden letztgenannten Autoren erhielten hierfür 1997 den Nobelpreis (vgl. Pellens et al., 2021, S. 585ff.; Kramarsch, 2004, S. 203ff. oder Black/Scholes, JoPE 1973, S. 637ff.). Zur Herleitung der Bewertungsgleichung wird ua. unterstellt, dass
- keine Arbitragemöglichkeiten bestehen, was bedeutet, dass unterschiedliche Anlagen am Kapitalmarkt zu gleichen Erträgen führen müssen, sofern sie sich hinsichtlich ihres Risikos nicht unterscheiden,
- sich der Kurs der zugrunde liegenden Aktie stochastisch entwickelt – und dabei durch eine sog. Brown’sche Bewegung (Wiener Prozess) beschrieben werden kann,
- der Leerverkauf von Wertpapieren möglich ist und keine Transaktionskosten oder Steuern existieren,
- keine Dividenden während der Optionslaufzeit gezahlt werden, wobei diese Annahme unter entsprechenden Modifikationen der Bewertungsgleichung aufgegeben werden kann,
- der risikolose Zinssatz bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Option konstant ist – auch diese Annahme kann unter Anpassung der Bewertungsgleichung aufgegeben werden,
- die Volatilität bis zum Fälligkeitszeitpunkt der Option konstant ist und
- die betrachteten Wertpapiere kontinuierlich gehandelt werden und die dabei erzielbaren Renditen der Log-Normalverteilung unterliegen.
Tz. 84
Stand: EL 50 – ET: 06/2023
Nachfolgend wird die Bewertungsgleichung zur Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes im Ausgabezeitpunkt für einen europäischen Call betrachtet. Dabei bezeichnet ein europäischer Call eine Option auf einen Aktienbezug zum festgesetzten Optionsbasispreis, die nur im Fälligkeitszeitpunkt ausgeübt werden kann. Ein amerikanischer Call unterscheidet sich von dem hier betrachteten europäischen Call dadurch, dass er zu jedem beliebigen Zeitpunkt während der Optionslaufzeit ausgeübt werden kann. Unter der annahmegemäßen Vernachlässigung von Dividendenzahlungen ergibt sich der Gesamtwert der Option als
wobei C dem beizulegenden Zeitwert des Calls entspricht, S0 den Börsenkurs der zugrunde liegenden Aktie am Tag der Optionsgewährung symbolisiert und K den Optionsbasispreis repräsentiert. N(d1) ist eine Wahrscheinlichkeit, die der Bestimmung des erwarteten Börsenkurses im Fälligkeitszeitpunkt dient und N(d2) symbolisiert die Wahrscheinlichkeit, dass...