aa. Automatische Eigentumsübertragung

 

Tz. 111

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Sieht die Leasingvereinbarung oder eine Nebenabrede zum Leasingvertrag am Ende der Laufzeit eine definitive Übertragung des juristischen Eigentums am Leasingobjekt auf den Leasingnehmer vor, ist das Leasingverhältnis nach IFRS 16.63 (a) regelmäßig als Finance-Leasingverhältnis zu interpretieren. So gehen auf den Leasingnehmer dauerhaft das mit dem Leasingobjekt verbundene ökonomische Nutzenpotenzial sowie die damit verbundenen Risikopositionen über (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (a) Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 936; Mellwig, 2000, S. 75; ADS Int, Abschn. 12, Tz. 34), sodass es keiner weiteren Handlungen zwischen den Vertragsparteien hinsichtlich des "Schicksals" des Leasingobjekts bedarf. Demnach ist durch diesen automatischen Eigentumsübergang der Leasinggeber nach Vertragsabschluss bei ordnungsmäßiger Vertragsabwicklung von jeglicher Einwirkung auf das Leasingobjekt ausgeschlossen (vgl. Morfeld, in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 22, Tz. 47; im Kontext von IAS 17.10 (a) Findeisen, RIW 1997, S. 841). In Deutschland werden derartige Verträge oftmals als Mietkaufverträge bezeichnet (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (a) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 33; Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 936). Wurde eine automatische Eigentumsübertragung vereinbart, wird das Leasingverhältnis nur in Ausnahmefällen nicht zu einem Finance-Leasingverhältnis zu klassifizieren sein (vgl. Gebhardt, in: Thiele/von Keitz/Brücks, 41. Erg.-Lfg. April 2019, IFRS 16, Tz. 300; im Kontext von IAS 17.10 (a) ADS Int, Abschn. 12, Tz. 34).

 

Tz. 112

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Wird ein Vermögenswert am Ende der fixierten Leasingdauer zu dem zu diesem Zeitpunkt einschlägigen beizulegenden Zeitwert übertragen, so kann mit Verweis auf IFRS 16.65 aus diesem Beispiel kein wirtschaftliches Eigentumsverhältnis abgeleitet werden, da das Risiko und auch die Chancen der Restwertschwankung nicht auf den Leasingnehmer übergehen (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (a) Mellwig/Sabel, in: MünchKommBilR, IAS 17, Tz. 55) und unterstellt werden kann, dass der Leasingnehmer das Leasingobjekt ohne Risiko zum selben Preis am Markt weiterveräußern könnte bzw. der Leasingnehmer so gestellt ist, als ob er den Vermögenswert am Markt beziehen würde (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (a) Sabel, 2006, S. 60).

 

Tz. 113

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Eine Kaufoption, die der Leasingnehmer in Abhängigkeit von den konkreten Umständen am Ende der Laufzeit des Leasingverhältnisses ausüben kann, reicht nicht aus, um auf Basis dieses Kriteriums ein wirtschaftliches Eigentumsverhältnis zu vermuten, da der Leasingnehmer lediglich optional an der Entwicklung der Chancen und Risiken während der gesamten Nutzungsdauer des Leasingobjekts partizipiert. Vereinbarungen in Bezug auf Kaufoptionen sind jedoch mit Verweis auf IFRS 16.63 (b) gesondert zu würdigen.

bb. Günstige Kaufoption

 

Tz. 114

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Wenn eine Übertragung des rechtlichen Eigentums am Leasingobjekt auf den Leasingnehmer am Ende der Leasinglaufzeit nicht verpflichtend, sondern mit Blick auf eine Kaufoption des Leasingnehmers lediglich optional ist, resultiert aus einer solchen Option regelmäßig dann ein Finance-Leasingverhältnis, wenn dem Leasingnehmer bei Abschluss des Leasingvertrags eine günstige Kaufoption iSv. IFRS 16.63 (b) gewährt wurde. Eine günstige Kaufoption meint eine Option, deren Ausübungspreis deutlich unterhalb des erwarteten beizulegenden Zeitwertes des Leasingobjekts zum Zeitpunkt der Optionsausübung liegt, sodass es zum Vertragsbeginn hinreichend sicher ist, dass der Leasingnehmer diese Option ausüben wird (IFRS 16.63 (b)). Bei einer solchen günstigen Kaufoption kann unterstellt werden, dass es für den Leasingnehmer wirtschaftlich zwingend ist, die Option auszuüben, da dieser den Vermögenswert zu einem höheren Preis als den Ausübungspreis weiterveräußern kann (vgl. im Kontext von IAS 17.10 (b) Alvarez/Wotschofsky/Miethig, WPg 2001, S. 936f.; Findeisen, RIW 1997, S. 841; Mellwig/Sabel, in: MünchKommBilR, IAS 17, Tz. 58). Der Leasinggeber wird dementsprechend ungeachtet seiner Position als rechtlicher Eigentümer – bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise – zu keinem Zeitpunkt Verfügungsmacht über den Vermögenswert erhalten, sodass voraussichtlich im Wesentlichen alle Chancen und Risiken des Leasingobjekts auf den Leasingnehmer übergehen und konsequenterweise auch dem Leasingnehmer das wirtschaftliche Eigentum zugeordnet werden sollte. Zudem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Leasinggeber die Vereinbarung einer günstigen Kaufoption bei der Kalkulation der laufenden Leasingzahlungen über die Leasingdauer antizipiert hat.

 

Tz. 115

Stand: EL 43 – ET: 03/2021

Der Ausübungspreis stellt jenen Preis dar, den der Leasingnehmer an den Leasinggeber leisten muss, wenn er die Option ausübt. Dieser Preis wird regelmäßig vertraglich kodifiziert sein, wenngleich dieser um weitere wertbeeinflussende Faktoren zu arrondieren ist. So sollten Kosten bspw. für den Abbau oder den Rücktransport des Leasingobj...

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