Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 104
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Als bonitätsbedingter Verlust wird in IFRS 9 die Differenz zwischen dem Barwert der vertraglich geschuldeten Zahlungen und dem Barwert aller erwarteten Zahlungen bezeichnet, wobei die Diskontierung mit dem ursprünglichen Effektivzins des betreffenden finanziellen Vermögenswerts vorzunehmen ist (resp. dem bonitätsadjustierten Effektivzins im oben (vgl. Tz. 96) beschriebenen Ausnahmefall; vgl. IFRS 9 Appendix A iVm. B5.5.28f.). Die Barwertdifferenz entspricht damit dem Minderbetrag an Zahlungsmitteleingängen (cash shortfalls). Für den Fall, dass es sich bei dem Finanzinstrument um eine unwiderrufliche Kreditzusage handelt, ergibt sich der Minderbetrag aus dem Barwert der dem Kreditnehmer zugesagten Mittel und dem Barwert der im Fall einer Ziehung der Linie von ihm erwarteten Rückzahlungen (vgl. IFRS 9.B5.5.30). Wie bei der Bestimmung des Effektivzinses bilden die zugrunde liegenden vertraglichen Bestimmungen einschließlich etwaiger Kündigungs-, Verlängerungs- und anderer optionaler Bestimmungen die Grundlage für die Schätzung der Zahlungsmitteleingänge. Einbezogen werden ferner Erlöse aus der Verwertung etwaig gestellter Sicherheiten sowie anderweitige bonitätsverbessernde Maßnahmen, soweit sie integraler Bestandteil der Kreditvereinbarung sind (vgl. IFRS 9 Appendix A iVm. B5.5.55). Wie zuvor geht der IASB davon aus, dass sich die erwartete Laufzeit eines Finanzinstruments verlässlich schätzen lässt. Für den seltenen Fall, dass dies wider Erwarten nicht möglich sein sollte, ist auf die verbleibende vertragliche Restlaufzeit des Instruments abzustellen (vgl. IFRS 9 Appendix A). Kongruent zur Ermittlung des Effektivzinssatzes wären in derartigen Fällen etwaige Kündigungsoptionen somit nicht zu berücksichtigen.
Tz. 105
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Der erwartete bonitätsbedingte Verlust wird als gewichteter Durchschnitt der bonitätsbedingten Verluste definiert, wobei sich die Gewichtung aus den jeweiligen Risiken für einen Ausfall ergibt. Aus der Formulierung wird bereits ersichtlich, dass einem erwarteten bonitätsbedingten Verlust somit mehrere, mindestens aber zwei Ausfallszenarien zugrunde zu legen sind (s. a. IFRS 9.5.5.17f. iVm. B5.5.28 und B5.5.41f.). Dem IASB führt in der Grundlage für Schlussfolgerungen ergänzend aus, dass es sich bei der Verwendung des Wortes "erwartet" nicht um die Verwendung des Wertes mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit (Modus), sondern um eine Durchschnittsbetrachtung (Mittelwert) und somit um eine Erwartungswertberechnung im statistischen Sinne handelt (vgl. IFRS 9.BC5.263).