Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 75
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die Kategorie "zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzierende finanzielle Verbindlichkeit mit Erfassung der Bewertungsergebnisse im Periodenergebnis" umfasst drei Arten an finanziellen Verbindlichkeiten (vgl. IFRS 9 Appendix A). Dabei handelt es sich um solche, die
- die Definition als "zu Handelszwecken gehalten" erfüllen (vgl. Tz. 69 und insbesondere vgl. Tz. 71);
- bei Vorliegen bestimmter, in IFRS 9.4.2.2 und 4.3.5 genannter Bedingungen zum Zugangszeitpunkt freiwillig als zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzierende Finanzinstrumente designiert werden (sog. Fair Value Option; vgl. Tz. 76ff.); oder
- zwecks Steuerung ihres Kreditrisikos bei Eingehung oder zu einem späteren Zeitpunkt gem. IFRS 9.6.7.1 freiwillig als zum beizulegenden Zeitwert zu bilanzierende Finanzinstrumente designiert werden (vgl. Tz. 87).
Tz. 76
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Neben der verpflichtenden Einstufung für zu Handelszwecken gehaltene finanzielle Verbindlichkeiten besteht zudem die Möglichkeit einer freiwilligen Designation in diese Kategorie. Dieses Wahlrecht ist unter dem Namen Fair Value Option bekannt und kann für finanzielle Verbindlichkeiten iSd. Standards losgelöst von der Handhabung für vergleichbare Geschäfte individuell ausgeübt werden (vgl. IFRS 9.B4.1.28). Allerdings muss die Ausübung bei Zugang des Instruments erfolgen und ist unumkehrbar. In der Grundlage für Schlussfolgerungen erläutert der IASB, dass er Unternehmen mit diesem Wahlrecht die Anwendung des Standards va. in zwei Punkten erleichtern wollte (vgl. IFRS 9.BCZ4.54f. sowie 4.60): bei der Abbildung ökonomisch bestehender Sicherungszusammenhänge, die sich nicht für das Hedge Accounting qualifizieren, sowie bei einer ggf. erforderlichen Aufspaltung strukturierter Produkte. Dabei schwebte dem Board eine unbürokratische Lösung vor: Solange Unternehmen das Wahlrecht bei Erstansatz des jeweiligen Instruments (nicht) ausübten und sich hernach an diese (Nicht-)Ausübung hielten, sei aus seiner Sicht das Missbrauchspotenzial hinreichend eliminiert (vgl. IFRS 9.BCZ4.65). Allerdings müssen sachliche Gründe vorliegen, wenn ein Unternehmen die Option nutzen will (vgl. IFRS 9.BCZ4.59ff.; für einen chronologischen Abriss der Entwicklung unter IAS 39 vgl. Barckow/Glaum, KoR 2004, S. 196f., Jerzembek/Große, KoR 2005, S. 221ff.; Küting/Döge/Pfingsten, KoR 2006, S. 597ff.; Kuhn/Scharpf 2006, Tz. 30ff.; zur Frage der tatsächlichen Ausübung der Option durch Unternehmen s. stellvertretend Finke/Kümpel, IRZ 2013, S. 298ff.; Ertel, IRZ 2016, S. 272f.): Die Ausübung der Fair Value Option setzt voraus, dass das sie nutzende Unternehmen dadurch relevantere Informationen vermittelt oder die ansonsten geforderte Aufspaltung strukturierter Produkte vermeidet (vgl. dazu Tz. 85).
Tz. 77
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Für das Erfordernis einer Vermittlung relevanterer Informationen nennt der IASB zwei Gründe, bei denen die Bedingung gegeben sein soll (s. a. IFRS 9.B4.1.27f.):
- Durch die Ziehung der Option beseitigt oder verringert das Unternehmen eine Bewertungs- oder Ansatzanomalie (auch Bilanzierungsungleichgewicht oder accounting mismatch genannt) erheblich, die sich ansonsten aus unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben der betroffenen Vermögenswerte und Schulden oder der verschiedenartigen Erfassung der Bewertungsergebnisse ergeben würde (vgl. IFRS 9.4.1.5 und 4.2.2(a); ausführlich vgl. Tz. 78ff.); oder
- eine Gruppe an Finanzinstrumenten wird auf Grundlage ihrer Veränderungen des beizulegenden Zeitwerts gesteuert, deren Ertragskraft entsprechend beurteilt und intern an die Leitungsebene des Unternehmens übermittelt. Dabei erfolgt die Steuerung in Übereinstimmung mit der niedergelegten Risikomanagement- oder Anlagestrategie des Unternehmens (vgl. IFRS 9.4.2.2(b); vgl. Tz. 84). Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass diese Bedingung nur dann gezogen werden kann, wenn die Gruppe so gesteuerter Finanzinstrumente finanzielle Verbindlichkeiten beinhaltet. Die Steuerung eines allein aus finanziellen Vermögenswerten bestehenden Portfolios auf Fair-Value-Basis führt nach IFRS 9 (anders als zuvor in IAS 39) nicht optional, sondern verpflichtend zu einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert und einer Erfassung der Wertänderungen im Periodenergebnis (vgl. dazu Tz. 167f.).
Die vorstehende Auflistung ist abschließend (vgl. IFRS 9.B4.1.28: "the two circumstances"). Zudem gehen mit der Nutzung des Wahlrechts zusätzliche Angabepflichten nach IFRS 7 einher (vgl. IFRS 7.9–11).
Tz. 78
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Die Beseitigung oder erhebliche Verringerung einer Bewertungs- oder Ansatzanomalie stellt die erste mögliche Berechtigung zur Ziehung der Fair Value Option dar. Ursächlich für die geltend gemachten Anomalien sind dabei entweder Bewertungsunterschiede, die sich aufgrund unterschiedlicher Bewertungsmaßstäbe von einander als zugehörig angesehenen Geschäften ergeben, oder Unterschiede im Ansatz der Bewertungsergebnisse in der Gesamtergebnisrechnung (einige Bewertungserfolge werden im Period...