Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 312
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Wie bereits erwähnt, gibt der IASB bilanzierenden Unternehmen in Fragen der Sicherungsbilanzierung keinen allgemeinen Freifahrtschein, sondern macht die Anerkennung einer in der betrieblichen Risikosteuerung getätigten Sicherung für Bilanzierungszwecke von einer Reihe formaler Voraussetzungen abhängig, die nachfolgend wiedergegeben sind und erläutert werden. Danach gestattet der Board Unternehmen die Bilanzierung der Sicherungsmaßnahmen nur dann, wenn sämtliche der folgenden drei Bedingungen erfüllt sind (vgl. IFRS 9.6.4.1):
- Die Sicherungsbeziehung besteht ausschließlich aus sich qualifizierenden Sicherungsinstrumenten und -gegenständen (vgl. dazu Tz. 276ff. resp. vgl. Tz. 291ff.);
- zum Zeitpunkt der Eingehung der Sicherungsbeziehung wird diese formell als solche gekennzeichnet und dokumentiert. In die Dokumentation sind die Darlegung der Risikosteuerungsziele und -strategie des Unternehmens aufzunehmen. Ferner sind Sicherungsinstrument und Grundgeschäft sowie das konkret abgesicherte Risiko zu benennen und darzulegen, wie das Unternehmen die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung nachzuweisen gedenkt. Dazu gehört insbesondere eine Untersuchung der Ursachen für eine mögliche Ineffektivität sowie die gewählte Festlegung der Sicherungsquote (vgl. IFRS 9.B4.6.1f.; s. Deloitte LLP 2018, S. 807f. für eine beispielhafte Dokumentation). Und
die Sicherungsbeziehung erfüllt alle der nachfolgenden drei Bedingungen an die Wirksamkeit der Sicherungsbeziehung:
(i) |
Zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument besteht ein tatsächlicher wirtschaftlicher (ie. gegenläufiger) Zusammenhang (vgl. Tz. 314); |
(ii) |
Bonitätseffekte haben keinen dominierenden Einfluss auf die Wertänderungen dieser Sicherungsbeziehung (vgl. Tz. 315); und |
(iii) |
die der Sicherungsbeziehung zugrunde liegende Sicherungsquote entspricht der tatsächlichen Quote aus Menge an Grundgeschäften und Menge an Sicherungsinstrumenten. Der IASB weist darauf hin, dass die Sicherungsquote kein Ungleichgewicht widerspiegeln darf, durch das es zu einer Ineffektivität der Absicherung käme (und zwar ungeachtet davon, ob diese auch bilanziell erfasst wird oder nicht), die dann wiederum zu einer Abbildung führen würde, die nicht im Einklang mit dem Zweck einer Sicherungsbilanzierung steht. |
Diese drei Bedingungen sind konstitutiv für den Beginn des Hedge Accounting: Erst mit ihrer Erfüllung darf ein Unternehmen die damit verbundenen bilanziellen Sondervorschriften anwenden – selbst wenn eine mögliche Kompensationswirkung ökonomisch bereits schon zu einem früheren Zeitpunkt besteht. Dazu gehört, dass der Bilanzierende die Sicherungsbeziehung formal als solche designiert (vgl. IFRS 9.6.5.1; zur nachträglichen Designation von Sicherungsbeziehungen vgl. Freiberg, PiR 2012, S. 130ff.; Heise/Koelen/Dörschell, WPg 2013, S. 310ff.)!
Tz. 313
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Vergleicht man die Vorschriften zu den formalen Voraussetzungen an eine Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen mit jenen in IAS 39, fällt unmittelbar auf, dass diese eine deutliche Entschlackung erfahren haben. Übrig geblieben sind eigentlich nur zwei harte Bedingungen (die erste unter (a) oben (vgl. Tz. 312) genannte stellt keine eigenständige Bedingung dar, sondern greift lediglich die zuvor dargestellten Abgrenzungen von sich qualifizierenden Grundgeschäften und Sicherungsinstrumenten auf): die formelle Dokumentation der Sicherungsbeziehung sowie die Anforderungen an die Effektivität der Sicherungsbeziehung. Die Anforderung an das Bestehen einer Dokumentation ist dabei weitgehend unverändert aus IAS 39 übernommen worden; dabei tritt die Darlegung der Bestimmung der Sicherungsquote an die Stelle der vormaligen Darstellung des zur Anwendung kommenden Effektivitätstest.
Tz. 314
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Augenfällig ist die Neuregelung des Effektivitätsnachweises: An die Stelle des verpflichtenden und rigiden numerischen Tests in IAS 39, bei dem eine vorgeschriebene Bandbreite für den Effektivitätskoeffizienten nicht überschritten werden durfte, tritt nun eine weitgehend qualitative Überprüfung (vgl. IFRS 9.BC6.230f.). Dies beginnt mit der Feststellung, dass Grundgeschäft und Sicherungsinstrument in einer gegenläufigen Beziehung zueinanderstehen müssen, bei der die Erwartung besteht, dass sich ihre Werte entsprechend des abgesicherten Risikofaktors gegenläufig entwickeln (vgl. IFRS 9.B6.4.4). Dabei sieht der IASB keine Notwendigkeit einzufordern, dass beide Teile der Sicherungsbeziehung exakt demselben Risikofaktor unterliegen; kann eine hinreichend enge Beziehung der jeweiligen Risikotreiber nachgewiesen werden, ist dies für den Nachweis der gegenläufigen Wertentwicklung dem Grunde nach ausreichend (vgl. IFRS 9.B6.4.5). Allerdings weist der Board darauf hin, dass der bloße Nachweis einer historischen Korrelation für sich genommen nicht ausreicht; vielmehr muss zu erwarten sein, dass der erwartete Risikoausgleich über die Laufzeit der in der Sicherungsbeziehung zusammengeführten Geschäfte auch tats...