Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 150
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Dem Grundprinzip zufolge darf ein Unternehmen eine finanzielle Verbindlichkeit erst und nur dann ausbuchen, wenn es vom Gläubiger oder aufgrund einer hoheitlichen Regelung aus der Leistungspflicht entbunden wurde. Eine besondere Form des Erlöschens finanzieller Verbindlichkeiten besteht in der Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten (sog. debt for equity swaps). Von dieser Maßnahme machten viele Unternehmen insbesondere während der jüngsten Finanzmarktkrise Gebrauch, so dass sich die Frage stellte, wie derartige Vorgänge bilanziell abzubilden sind. Eine entsprechende Anfrage erreichte das IFRS Interpretations Committee, das im November 2009 mit IFRIC 19 Extinguishing Financial Liabilities with Equity Instruments eine Abbildungsnorm vorlegte (vgl. IFRIC 19.BC2ff.; ausführlich dazu Schreiber/Schmidt, WPg 2010, S. 637ff.). Der Anwendungsbereich der Interpretation beschränkt sich dabei auf die Sichtweise des Schuldners sowie auf Situationen, bei denen der Übergang von der Schuld zu Eigenkapital nicht bereits in den Ausstattungsmerkmalen des Instruments angelegt war (wie das bspw. bei Wandelschuldverschreibungen der Fall ist). Auch darf der Gläubiger nicht direkt oder indirekt am Schuldner beteiligt sein und die Umschuldung in seiner Eigenschaft als Eigentümer vornehmen (vgl. IFRIC 19.2f.).
Tz. 151
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Das IFRS Interpretations Committee entschied, dass die Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten zur Begleichung von Schulden als erbrachte Gegenleistung iSv. IFRS 9.3.3.3 anzusehen ist, die der Ablösung einer Schuld oder eines Teils davon entspricht (vgl. IFRIC 19.5 iVm. BC10ff.). Zur Bemessung des Abgangserfolgs (und des ggf. verbleibenden Teils bei einer lediglich partiellen Begleichung der Schuld) sind die emittierten Eigenkapitalinstrumente zum beizulegenden Zeitwert zu bemessen und dem Buchwert der Schuld gegenüberzustellen. Jedwede Differenz ist unmittelbar ergebniswirksam im Periodenergebnis zu erfassen (vgl. IFRIC 19.6 und 9 sowie BC20ff.). Wurde ein Teil des Emissionsbetrags nicht nur zur teilweisen Begleichung der Schuld verwendet, sondern auch zur Modifizierung des verbleibenden Teils, ist zunächst eine Aufteilung vorzunehmen und der auf die Modifizierung entfallende Teil am Emissionsbetrag der verbleibenden Komponente zuzuschlagen, bevor die Differenzbetrachtung unternommen wird (vgl. IFRIC 19.8). Zudem ist dann zu untersuchen, ob die Modifizierung substanziell iSv. IFRS 9.3.3.2 ist (vgl. IFRIC 19.10; vgl. Tz. 145f. sowie Deloitte LLP 2018, S. 685ff.). Kann der beizulegende Zeitwert der Eigenkapitalinstrumente nicht zuverlässig bestimmt werden, ist der Emissionsbetrag ersatzweise mit dem beizulegenden Zeitwert der Schuld zu bemessen (vgl. IFRIC 19.7). Das bedeutet, dass ein Erlöschen von Schulden durch Ausgabe von Eigenkapitalinstrumenten nicht über einen bloßen Passivtausch abgebildet werden darf!
Tz. 152
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
IFRIC 19 war erstmals auf Berichtsperioden anzuwenden, die am oder nach dem 1. Juli 2010 beginnen (vgl. IFRIC 19.12). Für Unternehmen mit einem kalendergleichen Geschäftsjahr bedeutet dies, dass die Anwendung ab dem Geschäftsjahr 2011 verpflichtend wurde.