Prof. Dr. Andreas Barckow
Tz. 201
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Ausgangspunkt für die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts ist stets eine für dasselbe Gut am gleichen Tag unter marktüblichen Bedingungen ermittelte Preisnotierung an einem aktiven Markt ohne Vornahme irgendwelcher Anpassungen (vgl. IFRS 13.76 & Appendix A). Ein aktiver Markt wird in IFRS 13 als ein Handelsplatz definiert, auf dem Geschäftsvorfälle mit dem betreffenden Vermögenswert bzw. der Schuld mit hinreichender Häufigkeit und Menge auftreten, so dass fortwährend Preisinformationen vorliegen (IFRS 13 Appendix A). Entscheidend ist dabei das Abstellen auf das tatsächliche zu handelnde Instrument: Ein Markt, dh. eine Börse kann selbst rege Handelstätigkeit verzeichnen, der Handel in dem betreffenden Finanzinstrument aber zum Erliegen gekommen sein. In diesem Fall läge im Hinblick auf dieses Finanzinstrument kein aktiver Markt vor (vgl. Deloitte LLP 2018, S. 560f.). Der IASB gibt in IFRS 13 zur Feststellung, ob ein Markt aktiv oder inaktiv ist, umfangreiche Leitlinien (vgl. IFRS 13.B37). Dabei stellt er ua. fest, dass ein bloßes Absacken der Handelsintensität oder -volumina für sich genommen keinen hinreichenden Grund für die Annahme darstellt, der Markt sei inaktiv geworden (s. a. Deloitte LLP 2018, S. 560). Wird ein Finanzinstrument auf mehreren Märkten gehandelt, ist für die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts auf jenen aktiven Markt abzustellen, den das Unternehmen hauptsächlich nutzt ("principal market"), alternativ auf den für dieses vorteilhaftesten aktiven Markt ("most advantageous active market"), zu dem dieses einen unmittelbaren Zugang hat (vgl. IFRS 13.16f. und 78).
Tz. 202
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Konzeptionell gesehen stellt der aktuell notierte Geldkurs (bid price) für an einem aktiven Markt gehandelte Finanzinstrumente regelmäßig den sachgerechten Preis für die Bemessung des beizulegenden Zeitwerts gehaltener Vermögenswerte oder aufzunehmender Schulden dar; der aktuelle Briefkurs (asking price) wäre zugrunde zu legen, wenn zu erwerbendes Vermögen oder zu begleichende Schulden bemessen werden sollen. Mit der Veröffentlichung von IFRS 13 wich der IASB von seiner früheren apodiktischen Forderung ab, dass Geld- und Briefkurs für die Bemessung eines beizulegenden Zeitwerts von Finanzinstrumenten herangezogen werden müssen. Die Verwendung von Geld- und Briefkursen sei zulässig, nicht jedoch geboten. Entsprechend lässt er nunmehr auch explizit die Verwendung von Mittelkursen zu, sofern diese durch Marktteilnehmer als Praxiserleichterung für einen Wert innerhalb der Geld-Brief-Spanne genutzt werde (IFRS 13.70f. iVm. BC160ff.).
Tz. 203
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Auf aktiven Märkten festgestellte Preise stellen nach Ansicht des IASB den zuverlässigsten Nachweis eines beizulegenden Zeitwerts dar und sind deshalb dem Grunde nach nicht anzupassen. Von diesem Grundsatz weicht der IASB nur in wenigen Ausnahmefällen ab; etwaige Anpassungen führen dann idR dazu, dass der beizulegende Zeitwert nicht mehr der ersten Güte entspricht, sondern einer niedrigeren Stufe zuzuordnen ist (IFRS 13.77 und 79; siehe ergänzend IFRIC Update January 2015, S. 7f. sowie IDW RS HFA 47).
Tz. 204
Stand: EL 37 – ET: 2/2019
Bei der Bemessung des beizulegenden Zeitwerts für ein Portefeuille gleicher (und nicht nur gleichartiger!) Finanzinstrumente werden keine Paketzu- oder -abschläge in Ansatz gebracht. Der Wert eines Portfolios ist durch Multiplikation des für eine Einheit festgestellten Kurses mit der Anzahl der zu bewertenden Einheiten zu bemessen (vgl. IFRS 13.69 und 80). Auch wenn diese Vorschrift auf den ersten Blick fragwürdig scheint, weil Paketzu- oder -abschläge natürlich gängige Praxis sind, ist die Vorgabe des IASB sachgerecht. Lehnte man eine derartige Normierung ab, müsste man sich die Frage entgegenhalten lassen, ab wie viel Stück eine Adjustierung des veröffentlichten Preises erfolgen dürfte bzw. zu erfolgen hätte – ab 50, 1.000, 1 % der umlaufenden Stücke? Dass die umzusetzende Menge einen Preiseffekt hat, bestreitet auch der Board nicht. Ihn treibt das Problem, dass nicht objektiviert festgelegt werden kann, welche Menge in welcher Form preissensitiv ist und in welche Richtung. Dann aber ist die vorgelegte Vorschrift vernünftig und die sachlich einzig gerechtfertigte Lösung: Bevor jedes Unternehmen anfängt, veröffentlichte Notierungen schon bei kleinsten Mengen anzupassen (und das womöglich in eine gewünschte und weniger in eine objektivierbare Richtung), ist besser gar keine Adjustierung vorzunehmen. Einmal mehr wird darin deutlich, dass das Konzept des beizulegenden Zeitwerts keine Schätzung des Preises sein soll, den das Unternehmen dereinst erzielen wird, sondern den es am Stichtag hätte erzielen können, wäre es am Markt aktiv gewesen.