Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Tz. 13
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Ob eine Konzernrechnungslegungspflicht besteht, bestimmt sich nach den §§ 290–293 HGB (oder nach § 11 PublG). Diese werden durch DRS 19 "Pflicht zur Konzernrechnungslegung und Abgrenzung des Konsolidierungskreises" konkretisiert (§ 342 Abs. 2 HGB – Konzern-GoB-Vermutung).
Die Konzernrechnungslegungspflicht knüpft nicht an eine Legaldefinition des Begriffs eines "Konzerns", sondern an bestimmte Beziehungsverhältnisse zwischen Unternehmen (= Mutter-Tochter-Verhältnisse) an, die sich nach dem Konzept der Beherrschungsmöglichkeit bestimmen, das in § 290 Abs. 1 und 2 HGB geregelt ist. Dabei umschreibt § 290 Abs. 1 HGB beherrschenden Einfluss in Form einer Generalklausel, die angesichts der vielfältigen Erscheinungsformen beherrschenden Einflusses in der Praxis ausreichend flexibel ist, während § 290 Abs. 2 Nr. 1–4 HGB vier Tatbestände regelt, die unwiderlegbar ("stets") ein Mutter-Tochter-Verhältnis begründen.
DRS 19.6 definiert beherrschenden Einfluss als die unmittelbare oder mittelbare Bestimmung der Finanz- und Geschäftspolitik eines anderen Unternehmens. Dies setzt die Fähigkeit zur Durchsetzung der wesentlichen Entscheidungen in bedeutenden Unternehmensbereichen (zB Produktion, Vertrieb, Investition, F&E, Personal, Finanzierung) bei diesen Unternehmen voraus. Beherrschender Einfluss des Mutterunternehmens schließt die Existenz maßgeblichen Einflusses eines anderen Gesellschafters indes nicht aus.
Tz. 14
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Ist eine Kapitalgesellschaft oder eine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaft nach § 290 HGB grundsätzlich zur Konzernrechnungslegung verpflichtet, regeln die §§ 290 Abs. 5, 291–293 HGB Befreiungstatbestände.
Im Kontext der §§ 291, 292 HGB scheitert eine Befreiung von einer EU-IFRS-Teilkonzernrechnungslegungspflicht indes, wenn eine deutsche Zwischenholding selbst kapitalmarktorientiert iSd. Art. 4 der IAS-VO ist (nicht: § 264d HGB) (§ 291 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 292 Abs. 2 Satz 2 HGB; aA für § 292 HGB Busse von Colbe, MünchKommHGB, 4. Aufl., § 315e HGB, Rn. 20).
Ferner scheidet im Kontext des § 293 HGB eine Befreiung von der EU-IFRS-Konzernrechnungslegungspflicht aus, wenn ein in den Konzernabschluss einbezogenes Tochterunternehmen iSv. § 264d HGB (nicht: Art. 4 der IAS-VO) kapitalmarktorientiert ist (§ 293 Abs. 5 HGB). Fraglich ist überdies, ob bei der Ermittlung der Größenkriterien für Bilanzsumme und Umsatzerlöse HGB- oder IFRS-Werte zugrunde zu legen sind, falls in dem Konzern vorrangig oder ausschließlich IFRS-Einzelabschlüsse vorliegen. Senger/Rulfs (in: Beck IFRS-Handbuch, 6. Aufl., § 31, Tz. 6) halten unter Hinweis auf Wirtschaftlichkeitsgründe auch eine Beurteilung auf Basis von IFRS-Zahlen für zulässig, es sei denn, dass gravierende Unterschiede zwischen HGB und IFRS bestehen. Dies könnte insbesondere bei dem Kriterium "Umsatzerlöse" infolge unterschiedlicher Umsatzrealisationszeitpunkte beispielsweise bei langfristiger Auftragsfertigung nach IFRS 15 im Anlagenbau relevant sein, wenn die Umsatzerlöse nach dem Leistungsfortschritt (und nicht erst nach vollständiger Leistungserbringung) erfasst werden. Beim Kriterium der Bilanzsumme sind die Unterschiede zwischen HGB- und IFRS-Werten durch die Änderungen des BilMoG reduziert worden, sodass der Auffassung von Senger/Rulfs insbesondere bei Anwendung der Nettomethode nach § 293 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB, beizupflichten ist (aA Heuser/Theile, IAS/IFRS-Handbuch, Einzel- und Konzernabschluss nach IAS/IFRS, 6. Aufl., Rz. 4.27, nach denen HGB-Werte zugrunde zu legen sind).
Tz. 15
Stand: EL 48 – ET: 10/2022
Erfreulich ist, dass mit § 290 Abs. 5 HGB überdies klargestellt wurde, dass eine Konzernrechnungslegungspflicht nicht besteht, falls ein Mutterunternehmen nur Tochterunternehmen nach § 296 HGB hat. Zur Diskussion vor BilMoG siehe Küting/Gassen/Keßler, DStR 2008, S. 582.