Dr. Stefan Bischof, Dipl.-Oec. Klaus Wendlandt
Tz. 95
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
IAS 1 enthält lediglich die Definition eines kurzfristigen Vermögenswerts. Ein Vermögenswert ist gemäß IAS 1.66 als kurzfristiger Vermögenswert zu klassifizieren, wenn
- seine Realisation innerhalb des normalen Verlaufs des Geschäftszyklus des Unternehmens erwartet wird oder er zum Verkauf oder Verbrauch innerhalb dieses Zeitraumes gehalten wird (zum Begriff Geschäftszyklus vgl. Tz. 90f.);
- er primär für Handelszwecke gehalten wird;
- seine Realisation innerhalb von zwölf Monaten nach dem Bilanzstichtag erwartet wird;
- es sich um Zahlungsmittel oder Zahlungsmitteläquivalente (gemäß der Definition von IAS 7) handelt, deren Verwendung keiner Beschränkung unterliegt.
Tz. 96
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Im Umkehrschluss dazu sind alle anderen Vermögenswerte als langfristige Vermögenswerte zu klassifizieren (IAS 1.66). Hierzu gehören ua. Sachanlagen (inkl. geleaste Vermögenswerte, IAS 16 und IFRS 16), immaterielle und biologische Vermögenswerte (IAS 38 und IAS 41), als Finanzinvestition gehaltene Immobilien (IAS 40), Anteile an assoziierten Unternehmen und at equity bilanzierte Gemeinschaftsunternehmen (IAS 28 und IFRS 11) sowie sonstige langfristige finanzielle Vermögenswerte (IAS 32 und IFRS 9). Des Weiteren sind latente Steueransprüche iSv. IAS 12 aufgrund der Sonderregelung des IAS 1.56 unter den langfristigen Vermögenswerten auszuweisen. Ebenso sieht IFRS 14.21 eine Sonderregelung für den Ausweis von regulatorischen Abgrenzungsposten vor (vgl. im Detail dazu IFRS-Komm., Teil B, IFRS 14, Tz. 47ff.).
Im Übrigen ist es gestattet, statt der Bezeichnung "non-current" auch andere Bezeichnungen zu verwenden, solange deren Bedeutung klar ist, zB "long-term" (IAS 1.67); in der deutschen Sprache wird es zweckmäßig sein, stets den Begriff "langfristig" zu verwenden. Der im HGB verwendete Terminus "Anlagevermögen" ist nicht sachgerecht, da dieser nicht deckungsgleich mit dem IFRS-Begriff "non-current" ist (so auch die zwischenzeitlich zurückgenommene DRSC Interpretation 1 (IFRS), Tz. 21). Aus dem gleichen Grund sollte auch der Terminus "Umlaufvermögen" vermieden werden. Zulässig erscheint allenfalls eine Formulierung wie "Anlagevermögen und sonstige langfristige Vermögenswerte".
Tz. 97
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Primärer Maßstab für die Zuordnung zu den kurzfristigen Vermögenswerten ist deren erwartete Verweildauer im Unternehmen. Dies unterstreicht auch IAS 1.68: Danach liegt das Ziel einer Untergliederung in kurzfristige und langfristige Vermögenswerte im Hervorheben der Vermögenswerte, die innerhalb des laufenden Geschäftszyklus realisiert werden sollen. Demzufolge ist die beabsichtigte Realisation des Vermögenswertes innerhalb eines Geschäftszyklus bzw. eines Jahres ausschlaggebend für eine Zuordnung. Damit sind bspw. Vorführwagen, soweit diese innerhalb von zwölf Monaten bzw. des Geschäftszyklus veräußert werden, als kurzfristig einzustufen, und zwar auch dann, wenn diese nicht vorrangig mit dem Ziel der Veräußerung gehalten werden.
Tz. 98
Stand: EL 43 – ET: 03/2021
Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Vorräte sowie Zahlungsmittel und Zahlungsmitteläquivalente, die keinen Beschränkungen unterliegen, sind grundsätzlich als kurzfristig auszuweisen. Darüber hinaus werden unter den kurzfristigen Vermögenswerten normalerweise die folgenden Posten auszuweisen sein:
- sonstige (kurzfristige) Forderungen und Vermögenswerte und
- An- und Vorauszahlungen.
Bei Vermögenswerten, die Bestandteil des kurzfristigen Betriebskapitals sind (IAS 1.66), ist als Abgrenzungskriterium auf den Geschäftszyklus, für alle anderen Vermögenswerte auf den Zwölfmonats-Zeitraum abzustellen; ein Wahlrecht besteht insoweit nicht (so auch Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, IFRS-Kommentar, § 2, Tz. 36). Kurzfristige Vermögenswerte, bspw. Vorräte, die sich nicht innerhalb dieses Zeitraums realisieren, werden daher auch dann als kurzfristig ausgewiesen, wenn ihre Realisation zwar nicht innerhalb von zwölf Monaten, aber im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftszyklus erwartet wird (zB bei Vorräten in der Baubranche oder Vorräten, die einem Reifeprozess unterliegen (zB Kellereien) (IAS 1.68; so auch ADS Int 2002, Abschn. 7, Tz. 91). Gleiches gilt zB für das Ersatzteilgeschäft von Industrieunternehmen (zB Automobilherstellern). Soweit Vorräte allerdings voraussichtlich erst außerhalb des Geschäftszyklus verkauft werden können, ist deren Ausweis als langfristige Vermögenswerte in Betracht zu ziehen (vgl. Kontaktausschuss für Richtlinien der Rechnungslegung, 2001). Sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erst langfristig fällig, liegt der Transaktion idR ein Absatz- mit verbundenem Finanzierungsgeschäft zugrunde. Damit handelt es sich nicht um eine Forderung aus Lieferungen und Leistungen, sondern um ein Darlehen, das als langfristiger Vermögenswert auszuweisen ist (ähnlich die zwischenzeitlich zurückgenommene DRSC Interpretation 1 (IFRS), Tz. 16, wenn die Zahlungsziele nicht dem relevanten üblichen Geschäftszyklus entsprechen). Bei diversif...