Prof. Dr. Hans-Jürgen Kirsch, Dr. Kathrin Köhling
Tz. 98
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Wird eine Gesamtheit einzelner Vermögenswerte bzw. einzelner Schulden veräußert, kann sich dies auf den Preis im relevanten Markt auswirken. Vor allem beim Verkauf von Finanzinstrumenten – wie zB einem größeren Aktienpaket – kann der Kurs auf einem engen Markt derart beeinflusst werden, dass der Verkäufer nur einen im Vergleich zur separaten Veräußerung deutlich geringeren Erlös je Finanzinstrument erzielen kann. IFRS 13.69 untersagt indes jegliche Paketzu- bzw. -abschläge (blockage factors) aufgrund des betrachteten Volumens, falls es sich dabei nicht um ein spezifisches Charakteristikum des Vermögenswertes bzw. der Schuld handelt. Das Verbot bezieht sich also auf Anpassungen aufgrund des speziell vom Unternehmen zur Veräußerung vorgesehenen Volumens (IFRS 13.BC156), nicht aber auf Anpassungen, wenn das zugrunde liegende Volumen im Einklang mit der unit of account eine Eigenschaft der Position bildet (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 1007). Letzteres wäre zB bei der bereits erwähnten Fair-Value-Bewertung einer Beteiligung mit Kontrolleigenschaft (vgl. Tz. 97) der Fall, wenn diese die vom spezifischen Einzelstandard festgelegte unit of account bildet. Speziell im Falle einer Veräußerung von Finanzinstrumenten ist regelmäßig das einzelne Instrument als unit of account definiert. Folglich ist das sich im Besitz des Unternehmens befindliche Volumen für die Bewertung der Finanzinstrumente irrelevant (IFRS 13.BC157). Ein Zu- oder Abschlag ist der Entscheidung des Unternehmens, eine bestimmte Menge zu verkaufen, zuzuordnen und weist damit eine Parallele zu Transaktionskosten auf: Eine Anpassung hängt demnach davon ab, auf welche Weise ein Unternehmen in den Markt eintritt. Paketzu- bzw. -abschläge sind im beschriebenen Fall also transaktions-, und nicht instrumentbezogen und folglich nicht wertbeeinflussend (dh. für die Fair-Value-Bewertung irrelevant). Dass in der Praxis regelmäßig Paketzu- oder -abschläge realisiert werden, wird vom IASB demnach nicht berücksichtigt (vgl. dazu Löw/Antonakopoulos/Weiland, WPg 2007, S. 735). Gleiches gilt für den Fall, dass die vom bilanzierenden Unternehmen gehaltenen Vermögenswerte bzw. Schulden aufgrund ihres Volumens nicht ganzheitlich unmittelbar auf dem relevanten Markt transferiert werden können (IFRS 13.80).
Tz. 99
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Sofern ein Unternehmen eine Position an einzelnen Vermögenswerten oder Schulden, bzw. eine große Zahl an identischen Vermögenswerten und Schulden, der Stufe 1 hält, so ermittelt sich der Wert eines Pakets durch die Multiplikation des Marktpreises des einzelnen Instrumentes mit der Zahl der gehaltenen Vermögenswerte resp. Schulden (IFRS 13.80; hierzu kritisch vgl. Tz. 99a). Diese Vorgehensweise betrachtet der IASB als logische Konsequenz des Einzelbewertungsprinzips (vgl. Hitz, WPg 2007, S. 366).
Tz. 99a
Stand: EL 38 – ET: 6/2019
Inwiefern diese Vorgehensweise bei notierten Beteiligungen angemessen erscheint, ist in Literatur und Praxis umstritten (vgl. EY, International GAAP 2018, S. 918). So stellt sich im Zusammenhang mit der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert die Frage, ob beim Bilanzierungsobjekt einer notierten Beteiligung auf diese als Ganzes oder aber auf die Summe der einzelnen Anteile abzustellen ist (vgl. ausführlich Freiberg, PiR 2015, S. 42–47). Diese Frage ist bspw. bei der Fair-Value-Bewertung von notierten Tochterunternehmen, Gemeinschaftsunternehmen, assoziierten Unternehmen sowie bei der Ermittlung des erzielbaren Betrages von zahlungsmittelgenerierenden Einheiten, die im Zusammenhang mit Unternehmen stehen, die an einem aktiven Markt gelistet sind, relevant. Sofern auf das Produkt aus Anteil und beobachtbarem Marktpreis abgestellt wird (vgl. Tz. 99), kann die Fair-Value-Bewertung in der obersten Ebene der Fair-Value-Hierarchie eingeordnet werden. Würden hingegen Zu- oder Abschläge auf eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert einer notierten Beteiligung berücksichtigt werden, scheidet eine Level-1-Bewertung stets aus (vgl. Tz. 78). Hieraus ließe sich zunächst ableiten, dass eine Level-1-Bewertung aufgrund der in IFRS 13 implementierten inputbasierten Fair-Value-Hierarchie zu bevorzugen wäre. Gleichwohl würden Marktteilnehmer gerade bei Beteiligungen mit Kontrolleigenschaft einen Paketzuschlag berücksichtigen, wenn die gesamte gehaltene Beteiligung als unit of account betrachtet wird, sodass zumindest fraglich ist, ob eine rein formalrechtliche Betrachtung der Inputparameterhierarchie in diesem Fall zu entscheidungsnützlichen Informationen führen würde. Zu begründen ist dies damit, dass der Preis eines einzelnen Anteils in diesem Zusammenhang ggf. nicht repräsentativ für das zu bewertende Objekt ist (vgl. ausführlich Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (Hrsg.), Haufe IFRS-Kommentar, 16. Aufl., § 8a, Tz. 71f.).
Im Ergebnis stehen hier Regelungen im Konflikt zueinander. Die Frage, die sich hieraus ergibt ist, welches der Prinzipien – die Fair-Value-Hierarchie oder die Marktsicht – zu priorisieren...